Startseite » Allgemein »

Im Rausch der Geschwindigkeit

Eine fliegende Legende macht sich fit fürs 21. Jahrhundert
Im Rausch der Geschwindigkeit

Bereits auf den ersten Blick wird dem Betrachter klar, dass es sich bei diesem Flugzeug um eine Legende der Luftfahrt handelt. Schon der glatte, feuerwehrrote Flugzeugkörper mit Senknieten und verführerisch-eleganten Kurven stellt klar, dass Geschwindigkeit hier das oberste Gebot ist. Die Polen Special, 1972 von Dennis Polen entwickelt und gebaut, zählt auch gut 30 Jahre später noch zu den meistbewunderten Eigenbau-Flugzeugen der Welt.

Neven Jeremic´ , Leica Geosystems, Metrology Division, Technical Journalist

Anfang der 70er Jahre kosteten Sportflugzeuge entweder ein Vermögen oder ihre Leistung war mangelhaft. Deshalb entschloss sich Polen, ein eigenes Flugzeug zu bauen. Im Wesentlichen handelt es sich bei der Polen Special um ein verkleinertes Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg ohne Bewaffnung. Mit einer Geschwindigkeit über Grund von mehr als 480 km/h ist sie bis heute das schnellste 4-Zylinder-Flugzeug der Welt.
Die Polen Special, wirklich speziell
Dieses Flugzeug ist im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig. In der Vergangenheit wurden häufig Versuche unternommen, Polen zu überreden, sein Flugzeug in Serie zu produzieren oder zumindest seine Pläne zur Verfügung zu stellen. Doch er wollte sein Flugzeug ganz für sich behalten. Schließlich ist die Polen Special kein Flugzeug für Hobby-Piloten. Auf große Flughöhe und Geschwindigkeit ausgelegt, verbringt die Polen Special den Großteil ihrer Flugzeit in der Luftraumklasse A, also oberhalb von ca. 5 500 m. Dabei sind die Vorschriften für den Instrumentenflug und die Anweisungen der Flugsicherung zu beachten und der Pilot atmet Sauerstoff. Aus diesem Grund war Dennis Polen sehr stolz auf seinen ganz besonderen Eigenbau. Wer könnte ihm daraus einen Vorwurf machen?
Im Laufe der Zeit ist die Polen Special unter den Flugzeug-Liebhabern im pazifischen Nordwesten der USA zu einem echten Klassiker avanciert. Viele von ihnen haben Geschichten über eigene Polen-Sichtungen zu erzählen – meist, dass sie die Special nur von hinten gesehen haben…
Mit den Jahren wurde das Flugzeug immer mehr zur Legende. 1997 entschloss sich Dennis Polen, sein Flugzeug zu verkaufen, weil er es aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht länger fliegen konnte. Er wollte es jedoch nur in die Hände eines qualifizierten Piloten geben, der es sicher fliegen und gut pflegen würde. An dieser Stelle traten Dick und Debbie Keyt aus Granbury (Texas) auf den Plan.
Die perfekte Kombination
Dick Keyt ist Pilot bei American Airlines, war früher in der Air Force und hat eine Ausbildung als Luftfahrt-Ingenieur. Seine Frau Debbie arbeitete früher als Flugbegleiterin bei American Airlines und besitzt selbst einen Pilotenschein. Kurzum: Die beiden sind die idealen Pateneltern für ein so besonderes Flugzeug.
Nach einigen Jahren der Vormundschaft für die Polen Special und Auftritten bei unzähligen Flugshows entschloss sich Keyt, einige Änderungen an der Aerodynamik und dem Antriebssystem des Flugzeugs vorzunehmen, ohne jedoch seinen Charakter wesentlich zu verändern. Als erstes wollte er die Erneuerung des Antriebs unterhalb der Verkleidung am Bug in Angriff nehmen, um so die Motorleistung zu steigern. Danach sollte, basierend auf dem neuen Antriebssystem, die Verkleidung neu gestaltet und damit die Aerodynamik verbessert werden. Dazu ließ er von der University of Texas at Arlington (UTA) eine Aerodynamik-Analyse des gesamten Flugzeugs erstellen. Für diese beiden Vorhaben musste Keyt große Teile seines Flugzeuges digitalisieren.
Der Leica T-Scan kommt ins Spiel
Bei der Digitalisierung der Polen Special entschied man sich für den Hochgeschwindigkeits-Handscanner Leica T-Scan in Kombination mit einem LTD700 Leica Laser Tracker. Diese Instrumente von Leica Geosystems erfüllten die gestellten Anforderungen ideal. Denny Deegan, ein Application Engineer von Leica Geosystems aus Wichita (Kansas) fuhr nach Granbury, um die Polen Special zu digitalisieren. Im Vergleich zu ähnlichen Scanner-Lösungen bietet der Leica T-Scan entscheidende Vorteile: Er ist unempfindlich gegenüber Lichtbedingungen und Oberflächenbeschaffenheit. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen keine Vorbehandlung der zu scannenden Oberflächen erforderlich ist. Sein Messvolumen beträgt bis zu 30m, sodass zum Scannen des gesamten Flugzeugs nur eine geringfügige Neupositionierung der Messinstrumente erforderlich war. Außerdem müssen die mit dem Leica T-Scan gesammelten Daten nicht aufwändig nachbearbeitet werden, um eine 3D-Darstellung des gescannten Objekts zu liefern. Alle Daten werden vor Ort in Echtzeit verarbeitet und sind sofort nutzbar.
Aufgrund der erheblichen Vorteile, die der Leica T-Scan gegenüber ähnlichen Lösungen bietet, gelang es Denny Deegan, das gesamte Flugzeug in nur 16 Stunden zu scannen. Dabei wurden mehr als 32 Millionen Datenpunkte gesammelt. Unter dem Strich ergeben sich Zeiteinsparungen von mehreren Tagen, weil bei der Arbeit mit dem Leica T-Scan weder eine aufwändige Oberflächenvorbehandlung noch eine intensive Nachbearbeitung der Daten erforderlich ist. Dick Keyt verfolgte die Prozessfortschritte in Echtzeit auf einem Anwendungscomputer, der mit der Leica T-Scan Collect Software ausgerüstet war. Die gescannten Motorteile wurden sofort während des Digitalisierungsvorgangs auf dem PC-Bildschirm angezeigt. Dabei kam Dick Keyt eine Verbesserungsidee nach der anderen – fast so schnell, wie Denny Deegan die verschiedenen Oberflächen scannte…
Schlanker, schneller, höher
„Unter anderem werden die Daten dazu genutzt, auf dem Motor eine Luftkammer zu konstruieren, welche die durch die Fronteinlässe einströmende Luft abschottet und von der Abdeckung selbst unabhängig ist“, erklärt Dick Keyt. „Die neue Luftkammer soll komplett in die Abdeckung integriert werden. Dies wird die Luftströme im Motor optimieren, sodass mehr Leistung zur Verfügung steht. Und je mehr Leistung zur Verfügung steht, desto mehr lässt sich aus dem Flugzeug herausholen. Das ist Reverse Engineering.“
Eine weitere Verbesserung, die durch die digitale Darstellung des Motorraums erst möglich wird, ist die Neupositionierung der Leitungen, die Umgebungsluft in den Turbolader befördern. Keyt weiter: „Basierend auf der 3D-Darstellung des Motors können wir herausfinden, wie viel Tiefe wir haben und welche Abstände zu den Auspuffrohren eingehalten werden müssen.
Im Augenblick muss der Turbolader die Luft ansaugen. Wenn wir die Luft stattdessen in den Turbolader einleiten, können wir die Austrittstemperatur senken und eine höhere Leistung erzielen. Jetzt kühlt der Ladeluftkühler die Luft aus dem Turbolader von 150°C auf 93°C ab. Das ist sehr dünne Luft, mit vergleichsweise wenig Sauerstoff. Je kühler die Luft, desto größer ist ihre Dichte und desto höher ist ihr Sauerstoffgehalt. Und je mehr Sauerstoff für die Verbrennung zur Verfügung steht, desto mehr Treibstoff kann in die Brennkammer gepumpt werden, was die PS-Zahl erhöht. Deshalb wollen wir die Lufttemperatur auf ca. 65°C senken.“
Die zweite wichtige Änderung besteht in der Konstruktion einer optimalen Abdeckung für die neue Motoranordnung. „Dabei unterstützt mich die UTA. Das bringt beiden Seiten Vorteile. Die Universität erhält exzellente Rohdaten, die in der Lehre eingesetzt werden können. Soweit ich weiß, wurden bisher kaum jemals ganze Flugzeuge digitalisiert. Im Gegenzug hilft mir die Universität, Strömungsinterferenzen zu bestimmen und die Abdeckung optimal zu gestalten“, so Keyt.
“Leica Geosystems hat sich schon immer darum bemüht, für die Ausbildung an Hochschulen ein möglichst praxisnahes Umfeld zu bieten”, fügt Denny Deegan hinzu. “Weil uns bewusst ist, wie wertvoll angewandte Forschung ist, haben wir für das Polen Special Projekt gerne unsere Technologie und Zeit zur Verfügung gestellt.”
Alle geplanten Verbesserungen sollen die ohnehin schon eindrucksvolle Leistung und Aerodynamik der Polen Special steigern und sie noch schneller und noch höher fliegen lassen. So ist dafür gesorgt, dass die Polen Special auch in der Zukunft eines der besten Sportflugzeuge der Welt bleibt, sich noch viele Flugzeug-Begeisterte an dieser lebenden Legende freuen können und das Erbe von Dennis Polen angemessen gewürdigt wird.
Über die Polen Special
Die Polen Special wurde von Dennis Polen und seinen Freunden Jim Hergert und Darryl Usher entwickelt. Das Projekt wurde 1967 in Angriff genommen. Der Jungfernflug fand im Mai 1972 statt. Ähnlich wie die Gebrüder Wright erhielten auch Dennis und seine Freunde keinerlei finanzielle oder sonstige Unterstützung durch ein Unternehmen. Die Endmontage erfolgte in der Doppelgarage von Dennis in Portland (Oregon). Mitte der 70er Jahre bekam das Flugzeug einen Turbomotor, den Dennis jedoch bald wieder entfernte, weil er schwierig in der Handhabung war. Das Fliegen machte keinen Spaß mehr, weil das System so viel Aufmerksamkeit erforderte.
Seit Dick Keyt die Polen Special gekauft hat, arbeitet er an der Zuverlässigkeit und bemüht sich gleichzeitig, die ursprüngliche Leistung des Flugzeugs wieder herzustellen. Im Juli 2001 gelang es Keyt, mit der Polen Special einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord in der FAI/NAA-Klasse c1 auf dem 500km Closed Course aufzustellen. Der alte Rekord von 457km/h wurde von Rich Gritter in einer Questair Venture mit einem 280 PS-Motor gehalten. Die Polen Special erzielte mit nur 180PS die Rekordgeschwindigkeit von 487km/h.
Leica Geosystems, Unterentfelden, Schweiz
QE 510
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de