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Im Wettlauf gegen die Zeit

Rennsportzulieferer Pankl senkt Messzeit in der Produktionslinie
Im Wettlauf gegen die Zeit

Der Rennsport stellt besondere Ansprüche an Motorenhersteller – auch in Sachen Messtechnik. Durch permanent wechselnde Produkte, die 12 oder mehr Maschinenarbeitsgänge durchlaufen, ist der Aufwand für die Erstmuster- und prozessbegleitenden Messungen immens. Pankl Racing Systems hat deshalb am Standort Bruck fast alle manuellen Messmittel durch Koordinatenmessgeräte von Zeiss ersetzt. Damit sparen die Österreicher zum Teil bis zu 80 % der Messzeit ein.

Wenn Sebastian Vettel und Fernando Alonso in der Formel 1 ihre Rennwagen über die Strecke lenken, entscheiden winzige Details, wer als erster das Ziel erreicht. Der Kampf um jede Sekunde beginnt lange bevor die Piloten in ihre Autos steigen – nicht zuletzt bei den Herstellern der Motor- und Antriebssysteme. Einer davon ist die Pankl Racing Systems AG. Sie entwickelt und fertigt Motor- und Antriebskomponenten für verschiedene Rennsportteams aller international verbreiteten Motorsportklassen, darunter die Formel 1, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, die Rennserien des US-amerikanischen Motorsportverbands Nascar und die Moto GP, höchste Rennklasse der Motorrad-Weltmeisterschaft. Die Motorkomponenten stellt der Unternehmensbereich Pankl Engine Systems in Bruck an der Mur im österreichischen Bundesland Steiermark her.

„Leichter, zuverlässiger, qualitativ hochwertiger“, bringt Mario Pichler, Leiter Qualitätssicherung bei Pankl Engine Systems, die permanent steigenden Ansprüche auf den Punkt. Motorkomponenten für den Rennsport stellen die Hersteller immer wieder vor Herausforderungen. In der Regel beginnt alles mit einem Datenblatt, auf dem die Konstrukteure des Rennsportteams vermerken, wie stark ein Motorenteil während eines Rennens belastet wird – wie hoch Drehzahlen, Zünddruck und maximales Drehmoment sind und welche Werte für Bohrungsdurchmesser und Hub vorgegeben sind.
Die Konstrukteure bei Pankl stehen dann vor der Aufgabe, das Design dieses Teils – etwa eines Pleuels aus Titan oder eines Kolbens aus Aluminium – so auszulegen, dass es möglichst leicht ist und trotzdem den extremen Belastungen auf der Rennstrecke standhält: „Unsere Konstrukteure versuchen, noch das letzte Gramm herauszuholen – oft ist das eine Gratwanderung zwischen Leichtbau und Haltbarkeit“, sagt Pichler.
Enormer Messaufwand
Der Rennsport verlangt nicht nur Konstruktion und Produktion Höchstleistungen ab, sondern auch der Messtechnik. Erstens ist Präzision bis auf wenige Mikrometer unabdingbar, wenn man an die Grenzen des technisch Machbaren gehen möchte. Zweitens gilt es, einen enormen Messaufwand zu bewältigen. Geringe Stückzahlen von 80 oder auch nur sowie sich ständig ändernde Anforderungen an ein Bauteil ergeben sich aus der Natur des Rennsports. 15 Erstmusterfreigaben neuer Bauteile am Tag sind daher keine Seltenheit in Bruck. Jedes Erstmuster misst Pankl mehrfach bevor die weitere Produktion anlaufen kann. Hinzu kommen die Stichproben-, oftmals auch 100-Prozent-Messungen, während der laufenden Produktion. Zehn bis 15 Maschinenarbeitsgänge umfasst beispielsweise die Fertigung eines Pleuels (siehe Kasten Seite 24) für den Rennsport – und nach jedem einzelnen Schritt wird gemessen.
Für diese prozessbegleitenden Messungen setzte Pankl bis vor wenigen Jahren hauptsächlich Handmessmittel ein, von Messschiebern und Schnelltastern über Höhenmessgeräte und Mikrometer bis zum Konturmessgerät. „Das nahm viel Zeit in Anspruch und war sehr mitarbeiterabhängig“, erinnert sich Pichler. Denn bei Handmessmitteln schwanken die Ergebnisse selbst durch geringe Unterschiede in der Handhabung von Kollege zu Kollege. Geschäftsführung und Qualitätssicherung zogen den Einsatz eines automatischen Messgeräts in Erwägung – mit dem Hauptziel, die In-Prozess-Messungen zu automatisieren und so zum einen zu beschleunigen, zum anderen reproduzierbar zu machen.
Plug and Play
Pankl entschloss sich, das 3D-Koordinatenmessgerät Duramax von Zeiss zu testen. Die kompakte Messmaschine ist speziell darauf zugeschnitten, Handmessmittel in der Fertigungsumgebung zu ersetzen. Sie ist unempfindlich gegenüber mechanischen Schwingungen und Temperaturschwankungen zwischen 18 und 30° C und benötigt nur 1 m2 Stellfläche. Mit einer Genauigkeit bis auf 2,4 µm ist sie zudem wesentlich präziser als manuelle Messungen – wenn auch nicht so genau wie beispielsweise die Koordinatenmessgeräte Zeiss Prismo SACC, die Pankl im Messraum einsetzt. Für das Messgerät Duramax sprach darüber hinaus, dass es mit der Messsoftware Zeiss Calypso betrieben wird, mit der die acht Messtechniker in Bruck schon durch ihre Erfahrung mit anderen Maschinen des Herstellers vertraut waren.
„Der Duramax war für uns eine Plug-and-Play Geschichte“, sagt Pichler. Die Messtechniker übertrugen bestehende Messprogramme auf das Gerät, die ersten Werkstücke wurden eingemessen und schon konnte der Testbetrieb beginnen. Manche Fertigungsmitarbeiter, freilich, mussten erst überzeugt werden, ihre vertrauten Handmessmittel gegen eine automatische Messmaschine einzutauschen. „Doch schon nach zwei Wochen war das Messgerät nicht mehr wegzudenken. Es stand fest, wir behalten es“, berichtet Pichler.
80 % Messzeit gespart
Mit dem Duramax erreichte Pankl sein Ziel, die prozessbegleitenden Messungen zu automatisieren: „Alle Messungen, die wir früher von Hand durchgeführt haben, können wir jetzt am Duramax realisieren“, zeigt sich Pichler zufrieden. Damit spart Pankl bei bestimmten Messaufgaben 80 % der Messzeit ein. Laut Prüfplan sind beispielsweise im Anschluss an das Fräsen der Konturen eines Pleuels circa 80 Merkmale zu messen.
Pichler: „Vor der Duramax-Ära benötigte man dazu sechs verschiedene Lehren und ein Höhenmessgerät mit fünf unterschiedlichen Aufspannungen, um überall hinzugelangen“. 80 min habe dies in Anspruch genommen. Heute spannt der Mitarbeiter das Werkstück auf einem einzigen Messgerät, dem Duramax, auf. Auf Knopfdruck scannt der Messtaster das Bauteil automatisch und erfasst so sämtliche benötigte Werte. Das dauert laut Pichler gerade mal eine Viertelstunde. Hochgerechnet auf die zahlreichen Prozessschritte und Erstmusterprüfungen im Rennsport ergeben sich daraus für Pankl erhebliche Einsparungen bei den Produktionsnebenzeiten.
Die Einführung des Duramax hatte für Pankl noch einen weiteren Vorteil: Nicht nur die im Messraum gewonnenen Ergebnisse sind nun reproduzierbar, auch die in der Fertigungsumgebung. Bisher überprüfte Pankl prozessbegleitend nur bestimmte funktionskritische Maße an den Koordinatenmessgeräten im Messraum. Die restlichen wurden manuell erfasst und unterlagen so vielen Faktoren, wie zum Beispiel der individuellen Messmethoden der Fertigungsmitarbeiter. So konnte es im Extremfall passieren, dass Abweichungen vom Idealmaß erst im Rahmen der Endkontrollen entdeckt wurden, wenn bereits Zeit und Geld in die weitere Bearbeitung geflossen war. Heute verschafft der Duramax Pankl bereits früh eine hohe Sicherheit über die Qualität der eigenen Produkte. Möglich war dies nur, weil das Koordinatenmessgerät sich genau wie die Lehren für den Einsatz in der Fertigungsumgebung eignet.
Direkt in der Produktionslinie
„Das ist kein Erdbeben, sondern unsere Entmagnetisierungsanlage für die Pleuel“, erklärt Pichler Besuchern in Bruck, wenn eine leichte Erschütterung das Gebäude erfasst. Ein auf mechanische Schwingungen ausgerichtetes Messgerät war daher die Voraussetzung, wenn man die Handmessmittel ersetzen wollte: „Es war zwingend notwendig, die prozessbegleitenden Messungen vor Ort in der Produktionshalle durchzuführen“, erklärt Pichler. Zuvor seien immer wieder Wartezeiten im Messraum angefallen, weil für bestimmte Stichprobenmessungen die Handmessmittel nicht genau genug waren. Nun sind es nur noch wenige prozessbegleitende Messungen, die den Weg in den Messraum erfordern. „Alles, was technisch möglich ist, messen wir heute am Duramax. Dadurch haben wir viel weniger Durchgangsverkehr in der Qualitätssicherung und die Wartezeiten der Kollegen fallen weg.“
Damit es soweit kommen konnte, waren einige Vorbereitungen und eine klare Arbeitsteilung zwischen Messtechnikern und Maschinenbedienern erforderlich. Heute bereiten die Messtechniker die Vorrichtungen zur Aufspannung der Werkstücke so vor, dass die Maschinenbediener genau wissen, wie sie ihr Werkstück auf dem Koordinatenmessgerät zu positionieren haben. Die Messprogramme erstellen die Messtechniker an Offline-Programmierstationen. Auf dieser Grundlage können die Produktionsmitarbeiter einen Großteil der prozessbegleitenden Messungen selbst durchführen – sie wählen einfach das Programm aus und starten es. Der jeweilige Schichtleiter ist darin geschult, im Fall von Komplikationen das Koordinatenmessgerät neu zu starten, was allerdings selten notwendig ist.
Die guten Erfahrungen mit dem Duramax haben dazu geführt, dass Pankl inzwischen vier der kompakten Messmaschinen angeschafft hat. Zwei werden allein für die Pleuelfertigung benötigt. Denn Pankl produziert neben den Kleinstserien für den Rennsport neuerdings auch immer mehr Pleuel und andere Komponenten in größeren Serien: für Luxusautos wie Ferrari, Porsche, McLaren oder Mercedes-Benz. Sie stellen ebenfalls hohe Anforderungen an Konstruktion, Produktion und Messtechnik – auch wenn der Fahrer am Ende nicht gegen Vettel und Alonso antreten muss. ■
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