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Immer her mit dem Auftrag

„Vertragsprüfung“ falsch verstanden
Immer her mit dem Auftrag

Allein der Ausdruck „Vertragsprüfung“ stößt meistens schon auf Unverständnis. Es ist ein geschwollener Ausdruck. Wäre nicht im englischen Sinne von „Capability Study“ im deutschen Sprachgebrauch der bessere Begriff für das, was eigentlich gemeint ist?

Joachim Röhling,Nonnenhorn

Liegt es nun an dem Ausdruck „Vertragsprüfung“ selbst oder an unzureichender Schulung der Kollegen, in deren Verantwortungsbereich diese Aufgabe in der Organisation gehört?
Letzteres ist erfahrungsgemäß in der Praxis meistens der Grund. Der interne und externe Auditor kann diese Tatsache bei seiner Tätigkeit häufig feststellen. Dabei ist es doch so einfach! Mit „Vertragsprüfung“ ist die Prüfung der Machbarkeit (Erfüllbarkeit) von Kundenforderungen durch die eigene Organisation gemeint.
Wechselwirkungen
Die Gesamtanforderungen einer Kundenspezifikation beinhalten meistens eine Kombination der folgenden Einzelforderungen,
– allgemeine Qualitätsanforderungen und/oder Sonderforderungen,
l Anforderungen aus Gesetzen, Regelwerken und Normen,
– Umweltanforderungen -Terminforderungen und
– Preisforderungen.
Wobei die allgemeinen Qualitätsanforderungen, das sind diejenigen Anforderungen an ein Produkt, die nicht speziell beschrieben sein müssen und vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Sie sind natürlich produktabhängig. Daß solche Forderungen wie selbstverständlich bestehen,’ auch wenn sie in der Bestellung nicht ausdrücklich definiert wurden, wird leider oft vergessen. Wenn Sie z.B. einen Pkw im Autohaus bestellen,’ müssen Sie auch nicht spezifizieren, daß Sie aber ein Auto mit 4 Rädern wollen. Die Anforderungen stehen meistens in mehr oder weniger starkem Maße in Zusammenhang und in Wechselwirkung zueinander.
Prüfung der Kapazitätsaus-lastung erforderlich
Selbst wenn die Machbarkeitsprüfung ergibt, daß die gestellten Qualitätsanforderungen grundsätzlich erfüllt werden können, muß geprüft werden, ob sie auch zu dem vom Kunden gewünschten Zeitpunkt der Realisierung in der eigenen Organisation erfüllt werden können. Wenn es sich nämlich herausstellt, daß der gewünschte oder bereits zugesagte Liefertermin und die damit verbundene Kapazitätsauslastung in einen Zeitraum fällt für den schon andere Aufträge oder gar Projekte im Hause geplant sind, hat dieses nicht selten Qualitätsprobleme zur Folge.
Mitarbeiter werden überfordert da die Menge der zu bewältigenden Arbeit in der gegebenen Zeit nicht oder nur durch Hau-Ruck-Aktionen geschafft werden kann. Die Situation und somit die Problematik verschlechtert sich noch wenn dieser Auftrag in die Periode allgemeinen Urlaubs fällt. Es herrscht personelle Unterbesetzung, geschultes Personal fehlt, das qualifizierte Stammpersonal wird gerade von Leiharbeitern oder Ferienarbeitern „“vertreten“. Qualitätsprobleme sind vorprogrammiert!
Lieferanten in die Machbarkeitsprüfung einbeziehen.
Meistens wird auch vergessen, Lieferanten und Unterauftragnehmer in die Machbarkeitsprüfung einzubeziehen. Was nützt die eigene Fähigkeit zur Erfüllung der Kundenforderungen, wenn das benötigte Vormaterial, erforderliche Komponenten und Dienstleistungen gar nicht oder nicht rechtzeitig in ausreichender Menge zum einkalkulierten Einkaufspreis gar nicht zum erforderlichen Zeitpunkt beschafft werden kann. Auch die Hersteller, Lieferanten, Händler und Dienstleister haben (hoffentlich!) eine Kapazitätsplanung, die es manchmal unmöglich macht, unsere Wunschvorstellungen zu erfüllen. Wird es unterlassen, diese Partner frühzeitig in die Machbarkeitsprüfung einzubeziehen, kommt es zu bösen Überraschungen. Maschinen und Automaten sind nicht ausgelastet oder stehen still, Montageplätze bleiben verweist, weil die Mitarbeiter keine oder nicht ausreichend Arbeit haben. Das ist teuer!
Der dem Kunden zugesagte Termin kann nicht eingehalten werden. Bei einem Auftrag, der vom Kunden mit Konventionalstrafe belegt wurde, entstehen nun dem eigenen Unternehmen noch höhere Kosten.
Das vorher partnerschaftliche Verhältnis zum Kunden und zu den Unterauftragnehmern wird in unnötiger Weise getrübt.
Die Devise „,immer her mit dem Auftrag, irgendwie wird es schon gehen hat oftmals fatale Folgen.
Kundenforderungen weitergeben
Besondere Anforderungen des Kunden werden nicht oder nur unvollständig in der Anfrage an Lieferanten weitergegeben, so daß bei der Preiskalkulation für das eigene Produkt falsche Zahlen zugrundegelegt werden. Erst eine sorgfältige Nachkalkulation zeigt, daß der errechnete Gewinn wegen solcher Fehler bei weitem nicht so groß ausgefallen ist, oder daß man vielleicht sogar draufgezahlt hat. Das kann sich ein Unternehmen nicht sehr oft leisten. Die Wettbewerber schlafen nicht.
Entwicklungsaufwand berücksichtigen
Erforderlicher Aufwand für die Entwicklungs- und die Konstruktionstätigkeiten, wenn es sich um ein neues Produkt handelt, werden auch gerne vergessen, wenn Preis und Lieferzeit versprochen werden. Es ist eben ein gewaltiger Unterschied, ob es sich in einem Auftrag oder gar bei einem großen Projekt um eine Produktneuentwicklung oder um das Standardprodukt handelt, dessen Herstellung routinemäßig ohne besondere Maßnahmen realisiert werden kann.
Gesetze, Verordnungen und Normen nicht vergessen
Wir sprechen in Europa von „geregelten“ und „ungeregelten“ Bereichen, von Zertifizierung, Akkreditierung, von europäischer Baumusterprüfung und vom CE-Zeichen. Es müssen neben Regelwerken und Normen auch die grundlegenden Sicherheitsanforderungen aus Gesetzen, Verordnungen und Normen beachtet werden, deren Befolgung unter anderem organisatorische und finanzielle Belastungen für die Organisation mit sich bringen kann. Denken Sie nur an die Auflagen für den Umweltschutz“ bis hin zum Recycling, das zur Wiederaufbereitung und Rücknahme von ausgedienten Produkten und Materialien zwingt. Diese Auflagen müssen in die Machbarkeitsprüfung und schließlich die daraus resultierenden Kosten in die Kalkulation einfließen.
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