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In-Prozess-Kontrolle

Kosmetikhersteller investiert in ein neues LIMS
In-Prozess-Kontrolle

Als Anhängsel der zentralen Funktionen des ERP-Systems wurde bis jetzt in der Prozessindustrie die Labor-EDV behandelt. Entsprechend schlecht war es um die Automation der Abläufe und deren Integration in die Systemumgebung bestellt. Doch nun beginnt man vielerorts umzudenken – so zum Beispiel beim Kosmetikhersteller Juvena/La Prairie im deutschen Baden-Baden und Volketswil in der Schweiz: Hier entschied man sich für die Anschaffung eines modernen Laborinformations- und managementsystems (LIMS) mit voller Integration in die ERP-Software.

Die Spezialität der Kosmetikhersteller Juvena und La Prairie sind Hautcremes, die dem Alterungsprozess der Haut entgegenwirken sollen. Anstatt die alternde Haut zu übertünchen, entfalten die Cremes eine Tiefenwirkung, indem sie die Hautzellen regenerieren. – Ganz ähnlich verhält es sich mit der Strategie der Tochterunternehmen in Bezug auf ihr Labor-Management: Man hat erkannt, dass eine Erneuerung der Labor-EDV mehr ist als nur oberflächliche Software-Kosmetik, dass es hierbei an die Substanz des Unternehmens geht.

Ein paar Zahlen verdeutlichen die quantitativen Dimensionen, die ein LIMS bei Juvena/La Prairie zu bewältigen hat: Im Werk Baden-Baden wurden im vergangenen Jahr 2500 Tonnen Füllgut gefertigt, verteilt auf 1700 verschiedene Artikel und 66 Millionen Einheiten. In jedem Bulk sind bis zu 35 verschiedene Rohstoffe enthalten, und mit jeder neuen Serie kommen fünf bis zehn neue hinzu. Jedes Jahr vermehren sich auch die Prüfmethoden um bis zu fünfzig, die Prüfspezifikationen um bis zu vierhundert. „Das summiert sich,“ sagt Gerhard Horn, Leiter der Qualitätssicherung in Baden-Baden, „und bedeutet einen enormen Administrationsaufwand für das Qualitäts- und Labormanagement.“ Gerhard Horn und sein QS-Team sorgen dafür, dass pro Jahr 3000 Rohstoff- und 4500 Bulkanalysen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Hinzu kommen die Analytik der Produkte in der Entwicklungsphase (z.B. Stabilitätstests von Wirkstoffen), die Erarbeitung von Produktspezifikationen und Prüfmethoden wie auch die Registrierung in Volketswil nahe Zürich. Hier ist Dr. Daniel Stangl, Leiter Quality Management bei der Juvena International AG, mit seinem Team für das Qualitätsmanagement des Kosmetikherstellers verantwortlich. Die Mengen sind nur die eine Seite – die Organisation des komplizierten Zusammenspiels von Labor, Lager und Produktion die Andere. So kann zum Beispiel eingegangene Ware – Rohstoffe, Bulk oder Fertigware – erst dann dem ERP-System als verfügbarer Lagerbestand gemeldet werden, sobald sie vom Labor untersucht und freigegeben wurde. Am anderen Ende der Kette hängt die Menge der lieferbaren Produkte ebenfalls von der Freigabe durch das Labor ab. Permanente In-Prozess-Kontrollen müssen dafür sorgen, dass Mängel rechtzeitig erkannt werden, um die Menge der Ausschussware zu begrenzen. Bei Losgrößen von durchschnittlich nur 560 kg Bulk bzw. 8500 Einzelverpackungen bestehen somit große Anforderungen an die Koordination der Betriebsabläufe: Greifen die einzelnen Rädchen in diesem Getriebe nicht optimal ineinander, kann ein enormer Verlust an Effizienz und eine Vergeudung von Arbeitskraft und -zeit die Folge sein.
Eine Frage der Existenz
Charakteristisch für die Prozessindustrie ist, dass ihre Produktion einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften unterliegt. Bekannt bei der Umsetzung von Kosmetik-GMP (Good Manufacturing Practice) ist das Prinzip der Chargenrückverfolgbarkeit, und das heißt bei Juvena und La Prairie: Der Inhalt jeder Tube muss lückenlos bis auf die Herkunft der einzelnen Rohstoffe zurückführbar sein – bei bis zu 35 Rohstoffen pro Bulk ein aufwendiges Unterfangen.
Ein effizientes und transparentes Labor-Management ist damit nicht nur die Voraussetzung für einen reibungslosen Workflow und für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, sondern auch für die Akzeptanz beim Kunden – und die ist für jedes Unternehmen eine Existenzbedingung. Gerhard Horn und Dr. Daniel Stangl, treibende Kräfte hinter dem LIMS-Projekt, sind froh, dass die Geschäftsleitung sich zu der Investition entschieden hat. „Das bedeutet einen gewaltigen Schritt, den Juvena und La Prairie hier machen. Nicht alle Firmen in der prozessverarbeitenden Industrie sehen das ein,“ kennt Gerhard Horn die Problematik. In Baden-Baden war zunächst ein individuelles System auf der Basis von Clipper, dann eine Access-Datenbank im Einsatz, ein, so Horn, „Mini-LIMS,“ das einige Mängel aufwies: So war das Labor nicht an die zentrale Datenbank auf der AS/400 angeschlossen, die im ERP-System gespeicherten Daten waren somit von der Labor-EDV aus nicht abrufbar. Das bedeutete etwa, dass Wareneingangsdaten aus dem Wareneingangsmodul übernommen und umständlich von Hand in die Labor-Datenbank eingegeben werden mussten. Außerdem war der Automationsgrad des Systems insgesamt zu gering, als dass die Menge der Aufgaben effizient bewältigt werden konnte: So muss-ten etwa die In-Prozess-Kontrollen vom Laborpersonal mit hohem administrativen Aufwand organisiert und überwacht werden. Große Probleme bereiteten auch elementare Datenbank-Abfragen und der Datenaustausch zwischen der Entwicklungsabteilung in Volketswil und dem Labor in Baden-Baden. „Hier hatten wir früher zwei getrennte Systeme im Einsatz, die eigentlich nie abgeglichen wurden,“ blickt Dr. Daniel Stangl zurück. In dieser Situation erwog man zunächst, selbst eine Lösung in ABAP zu programmieren. Letztendlich entschied sich der Kosmetikhersteller aber dafür, Anbieter von Fertiglösungen zu konsultieren, da während der Entscheidungsphase klar wurde, dass inzwischen ausgereifte und reichhaltige Funktionalitäten zur Verfügung stehen. Gerhard Horn: „Heutige LIM-Systeme sind weit mehr als nur eine Datenbank zur Verwaltung von Methoden, Rezepturen und Analyseergebnissen: Das sind effiziente und hochintegrierte Instrumente, die ein komplettes Labor- und Projektmanagement ermöglichen.“
Strenge Auswahl
Bei der Auswahl ging man akribisch vor: Zunächst wurden sechs Anbieter zu einer halbtägigen Präsentation eingeladen, mit den drei verbleibenden wurde ein Workshop abgehalten. Dann waren’s nur noch zwei: Und Juvena/La Prairie entschied sich für den qualitativ besseren Anbieter: Mettler-Toledo. Es waren im wesentlichen drei Gründe, die den Ausschlag gaben: Zum einen die einfache Release-Fähigkeit, die trotz des umfangreichen Pre-Customizings garantiert ist, außerdem die Mettler-Leistung beim Referenz-Kunden Müller Milch. Die Feinfunktionsbeschreibung war im Herbst 1999 abgeschlossen. Vereinbart wurde unter anderem die Installation des LIMS-Moduls des Software-Pakets Collier mit Anbindung an die AS/400 und an die ERP-Software von JBA/Ratioplan. Der Austausch der Daten erfolgt über eine von Mettler-Toledo selbst entwickelte Schnittstelle; das heißt, das Labor arbeitet jetzt mit einem mit dem JBA-System abgeglichenen Datenbestand. Für die In-Prozess-Kontrollen werden zur Zeit Workflows entwickelt, die eine automatische Prüfauftrags-Erstellung steuern. Die Stammdaten der Artikel und die Prüfmethoden sind schon in das neue System übertragen. Zwischen Baden-Baden und Volketswil konnte eine durchgängige Datenbank-Replikation realisiert werden. Dr. Daniel Stangl: „In Volketswil benötigen wir die Materialstammdaten aus Baden-Baden, um Produktspezifikationen, adäquate Prüfmethoden usw. erarbeiten zu können. Die Datenreplikation mit dem Basismodul des LIM-Systems war hierfür die Voraussetzung.“ Wenn Dr. Stangl heute in Volketswil etwa Prüfspezifikationen erarbeitet, muss er die Ergebnisse nicht mehr wie zuvor erst nach Baden-Baden schicken, wo diese erneut erfasst wurden. „Alle Stammdaten stehen heute Online zur Verfügung. Hierdurch sparen wir nicht nur Zeit, auch die Datensicherheit ist wesentlich höher,“ freut sich der Qualitätsmanager.
Nach einem halben Jahr Installationszeit ging das LIMS in den Echtlauf. Zwei Mitarbeiter des Baden-Badener Labors führten überwiegend die LIMS-Implementierung durch, Berater von Mettler-Toledo unterstützen sie vor Ort. Positive Effekte verspricht sich Gerhard Horn hierbei auch von der nun notwendigen Reflexion der adaptierten Arbeitsabläufe: „Das System wird einerseits zwar an uns angepasst, und wir müssen auch bereit sein, unsere Arbeitsabläufe zu überdenken, um im Rahmen eines Process Reengineerings die Geschäftsprozesse zu optimieren.“ Auch Dr. Daniel Stangl zeigt sich zufrieden mit dem Erreichten: „Unser neues LIM-System ist sehr flexibel einsetzbar, um Spezifikationen und Prüfmethoden zu verwalten. Das betrifft die internen Bedürfnisse in der Qualitätskontrolle während des Produktionsprozesses in Baden-Baden ebenso wie die externen Anforderungen z.B. von den Registrierungsbehörden der Länder.“
Trotzdem, Wünsche bestehen durchaus noch. So will Dr. Stangl die Stammdaten aus dem LIMS künftig auch für die automatische Erstellung der Registrierungsformulare verwenden. Die kosmetischen Produkte von Juvena/La Prairie müssen wie alle Kosmetika in den verschiedenen Ländern registriert und zugelassen werden. „Im Hinblick auf die Projektführung können wir die Datenbank gleichzeitig für die Registrierung nutzen,“ ist Dr. Daniel Stangl überzeugt.
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