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Kundenzufriedenheit gekonnt ermitteln

QM: Vorgehensweise bei Kundenbefragungen
Kundenzufriedenheit gekonnt ermitteln

Eine hohe Kundenzufriedenheit sollte der Anspruch eines jeden Unternehmens sein. Vor allem wenn die Produkte und Dienstleistungen immer ähnlicher werden, stellt die Kundenorientierung ein wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern dar. Vor diesem Hintergrund besitzt die Ermittlung der Kundenzufriedenheit eine besondere Bedeutung. Inzwischen wird dies auch im Rahmen der Zertifizierung des Qualitätsmanagements gefordert. Viele Unternehmen denken darüber nach, auf welche Weise die Ermittlung der Kundenzufriedenheit sinnvoll vorgenommen werden kann. Dabei ergeben sich in der Regel viele offene Fragen.

Dr. Oliver Hettmer, Leiter Steinbeis-Transferzentrum Mittelstandsberatung, Winnenden bei Stuttgart

Die Sindelfinger Karcoma-Armaturen GmbH, die mit 65 Mitarbeitern Kraftstoffarmaturen, Filter, Ventile sowie Spritzguss- und Drehteile für Fahrzeuge, Motorsägen, Motorgeräte etc. entwickelt und fertigt, stand genau vor dieser Frage. Auf eine gefühlsmäßige Einschätzung wollte man sich nicht verlassen. Eine Reklamations- und Beschwerdestatistik existiert bei Karcoma zwar, jedoch können damit nur jene Kunden erfasst werden, die ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Andere schweigen und wechseln möglicherweise zu Wettbewerbern. Ebenso kann Karcoma mit seiner Reklamations- und Beschwerdestatistik nicht in Erfahrung bringen, welche Kunden nur mäßig und welche besonders zufrieden mit den angebotenen Produkten und dem Auftreten des Unternehmens sind. Auch die Stellung des eigenen Unternehmens gegenüber den Wettbewerbern blieb Karcoma bislang im Detail verborgen. Das Instrument der Reklamations- und Beschwerdestatistik ist zwar wichtig und sinnvoll, jedoch kann es nicht den Anspruch erheben, eine umfassende Aussage über die Kundenzufriedenheit zu machen.
Vorteile zufriedener Kunden
Da zufriedene Kunden zu einer höheren Kundenbindung und somit zu einem geringeren Aufwand der Neukunden-Akquisition, zu mehr positiven und zu weniger negativen Weiterempfehlungen sowie zu einer schnelleren Akzeptanz von Preisangleichungen beziehungsweise zu geringerer Preissensitivität führen, hat Karcoma dem Thema Kundenzufriedenheit eine hohe Bedeutung beigemessen. Aus diesem Grund hat sich der Armaturenhersteller, der im Jahr 2002 zum zweiten Mal Lieferant des Jahres beim Waiblinger Motorsägenhersteller Stihl wurde, an das Steinbeis-Transferzentrum Mittelstandsberatung in Winnenden bei Stuttgart gewendet und eine Kundenbefragung in Auftrag gegeben.
Unternehmensindividuelle Vorgehensweise
In einer gemeinsamen Arbeitssitzung von Karcoma und dem Steinbeis-Transferzentrum Mittelstandsberatung wurden sämtliche Leistungskriterien und Beziehungen zu den Kunden analysiert. Daraufhin wurde in enger Abstimmung ein individueller Fragebogen erstellt, bei dem spezielle Fragetechniken Berücksichtigung fanden.
Immer wieder bieten Dienstleister auch Befragungen mit standardisierten Fragebogen an, die dann geringfügig von Unternehmen zu Unternehmen angepasst werden. Damit ist es jedoch nicht möglich, die individuellen Kundenbeziehungen vollständig zu erfassen und abzudecken.
Im Falle von Karcoma musste im Fragebogen zwischen den Standardprodukten und den angebotenen kundenspezifischen Entwicklungsdienstleistungen differenziert werden. Mit einem standardisierten Fragebogen wäre das nicht möglich gewesen. Aber nicht nur der Fragebogen sollte als unternehmensindividueller Teil einer Kundenbefragung verstanden werden: Die gesamte Aufgabe der Kundenzufriedenheits-Ermittlung ist als ein unternehmensspezifisches Projekt zu betrachten und anzugehen. Wichtig dabei ist es, im Unternehmen einen Projektverantwortlichen zu benennen und der gezielten Auswahl des externen Partners für die Kundenbefragung besondere Beachtung zu schenken.
Schriftliche, telefonische oder persönliche Befragung?
Die telefonische Befragung ist zwar aufwändiger als eine schriftliche Ermittlung der Kundenzufriedenheit, jedoch ist der Rücklauf der Fragebogen wesentlich höher. Ferner kann der Interviewer im Dialog wesentlich mehr Informationen aufnehmen und hat auch die Möglichkeit nachzufassen, wenn der Gesprächspartner eine Frage nur unzureichend beantwortet. Eine persönliche Befragung der Kunden vor Ort weist von der Art her dieselben Vorteile wie die telefonische Befragung auf – allerdings in deutlich stärkerer Ausprägung. Aufgrund des hohen Aufwandes werden persönliche Befragungen vor allem dann durchgeführt, wenn es sich um eine überschaubare Anzahl bedeutender Kunden handelt. Von Kundeninterviews durch eigene (Vertriebs-)Mitarbeiter sollte abgesehen werden, da diese weder dafür ausgebildet sind, noch die nötige Unabhängigkeit und Neutralität besitzen.
Im Falle von Karcoma wurden die umsatzstärksten Kunden, die sogenannten A-Kunden, telefonisch durch speziell geschulte Interviewer des Steinbeis-Transferzentrums Mittelstandsberatung befragt.
Da Karcoma Kunden in Europa, Asien und Nordamerika besitzt, wurde die Befragung in deutscher und englischer Sprache vorgenommen.
Fast 90% der A-Kunden haben der Befragung zugestimmt. Mit der sehr hohen Teilnahmebereitschaft kam auch eine Wertschätzung der Kunden für Karcoma und ein Interesse an einer optimalen Kunden-Lieferanten-Beziehung zum Ausdruck.
Die B- und C-Kunden wurden aufgrund der hohen Anzahl von Adressen angeschrieben und hatten die Möglichkeit, den Bogen zurückzusenden.
Umsetzung der Befragungsergebnisse
Nach der Durchführung der Interviews erfolgte die Auswertung der Fragebogen und die Präsentation der Ergebnisse bei Karcoma. Durch die Kundenbefragung konnte Karcoma wichtige Informationen über seine Wettbewerber gewinnen. Diese Informationen finden in der Unternehmenspolitik von Karcoma Berücksichtigung. Ferner haben sich aus der Kundenbefragung Anregungen zur Verbesserung der Wahl der Kommunikations- und Präsentationsmedien sowie Hinweise zum Ausbau der kundenspezifischen Entwicklung von Armaturen ergeben. Wichtig dabei ist es, dass die aus den Befragungsergebnissen resultierenden Handlungsempfehlungen konsequent umgesetzt werden. „Als erstes werden wir den offenen Fragen, vereinzelt geäußerten Kritikpunkten und Anregungen der Kunden nachgehen. Hier dürfen wir keine Zeit verlieren“, erklärte Siegfried Kurtz, Prokurist von Karcoma.
Vielfach ist bei Kundenbefragungen zu beobachten, dass das von den Unternehmen gezeichnete Selbstbild und das aus der Kundenbefragung resultierende Fremdbild in der Form divergieren, dass eine Selbstüberschätzung des Unternehmens vorliegt. Interessanterweise war bei Karcoma das Gegenteil der Fall:
Der Karcoma-Geschäftsführer Kurt-Michael-Richter brachte zum Ausdruck, dass „wir bei der Befragung besser abgeschnitten haben als erwartet. Allerdings sehen wir immer noch Potenziale, um die Kundenbeziehungen weiter zu optimieren.“
Vergabe eines Zertifikates:
Nach durchgeführten Kundenbefragungen verleiht das Steinbeis-Transferzentrum Mittelstandsberatung ein Zertifikat an seine Auftraggeber. Aufgrund der überdurchschnittlich guten Befragungsergebnisse beim Vertrieb und Service, bei der Entwicklung und Produktion sowie bei den Produkteigenschaften lautet das Zertifikat für Karcoma auf hohe Kundenzufriedenheit Durch diese Auszeichnung kann Karcoma sowohl die Forderung des Qualitätsmanagements-Systems nach Ermittlung der Kundenzufriedenheit erfüllen als auch bei der Neukunden-Gewinnung auf einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil verweisen.
Mit einer einmaligen Kundenbefragung sollte das Thema der Kundenzufriedenheits-Ermittlung jedoch nicht abgeschlossen sein: Da die Zufriedenstellung der Kunden eine unternehmerische Daueraufgabe darstellt und eine Kundenbefragung nur eine Momentaufnahme der Kundenzufriedenheit ist, sollte eine regelmäßige Wiederholung stattfinden. Dadurch wird deutlich, wie sich die Kundenzufriedenheit im Zeitablauf verändert und welcher Nutzen aus der Umsetzung der Befragungsergebnisse resultiert.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kundenbefragungen ein geeignetes Instrument darstellen, um die Kundenzufriedenheit sinnvoll zu ermitteln. Der Fall Karcoma zeigt, dass eine sorgfältige Vorbereitung, ein individueller Fragebogen und eine professionelle Vorgehensweise bei der telefonischen und schriftlichen Befragung den Erfolg der Kundenbefragung ausmachen. Der Nutzen von Kundenbefragungen hängt stark von der konsequenten Umsetzung der Ergebnisse ab. Eine dauerhafte Wirkung können Kundenbefragungen durch regelmäßige Wiederholungen erzielen.
QE 504

Ablauf einer Kundenbefragung
    • Projektbesprechung
    • Zu befragende Kunden festlegen
    • Fragebogen erstellen
    • Befragung durchführen
    • Fragebogen auswerten
    • Ergebnisse zusammenfassen
    • Handlungsempfehlungen ableiten
    • Empfehlungen umsetzen

Tips zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit
    • Nicht nur Beschwerdestatistiken führen
    • Kundenbefragung als Projekt definieren und Verantwortlichen benennen
    • Gezielte Auswahl des externen Dienstleisters
    • Die Beziehung zum Kunden intensiv analysieren
    • Fragebogen individuell erstellen und Fragetechniken berücksichtigen
    • Nur professionelle Interviewer beim Kunden anrufen lassen
    • Kundenbefragung regelmäßig wiederholen
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