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Messen lassen

Präzisionsmesstechnik als Dienstleistung
Messen lassen

Schon im 18. Jahrhundert wurden im Schwarzwald Uhren gefertigt. Die berühmten „Schwarzwälder Uhrenträger“ wurden in ganz Europa und bis in die Türkei verkauft. Junghans aus Schramberg ist ein bekannter Vertreter, der sich bis heute im weltweiten Wettbewerb behaupten konnte. Daraus entwickelte sich die Federnherstellung und daraus der Grammophonbau mit der bekannten Firma Dual, die der Entwicklung neuer Tonträger nicht standhalten konnte. Präzision hat also Tradition im Schwarzwald, wenn sich die Ausprägung auch im Laufe der Zeit gewandelt hat.

Die mechanische Präzision wurde in vielen Fällen durch Elektronik und Digitaltechnik ersetzt. Geblieben sind umtriebige Menschen mit Sinn für Präzision. Kein Zufall also, dass hier im Schwarzwald bei St. Georgen die Präzisionsmesstechnik ein Zuhause gefunden hat. Mit Fug und Recht kann Gerd Weißers Tat als Pionierleistung bezeichnet werden, als er 1983 seine Firma messtronik Weißer gründete. Schon als Leiter der Qualitätssicherung bei Dual fragte er sich, warum man Fräsen oder Drehen lassen konnte, warum es aber keine Dienstleister für Messaufgaben gab. Als dann 1982 Dual Insolvenz anmelden musste, dauerte es nicht lange und Gerd Weißer setzte seine Idee – Messen als Dienstleistung – in die Tat um.

Dazu mussten viele Widerstände überwunden werden. Messmaschinen waren damals schon teuer, daher mussten zuerst Banken überzeugt werden von dieser neuen Idee. Erfolg brachte hier eine Machbarkeitsstudie des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft. Er bekam damit die erforderliche Kreditzusage und konnte 1983 seine Firma gründen. Nun zeigte sich, dass selbst mit Geld nicht alles zu haben war. Manche Messmaschinenhersteller nahmen Weißers Idee nicht ernst. Bei Leitz konnte er schließlich eine PMM 866 erwerben, mit dem Zugeständnis, dass er die Maschine nach einem Jahr zurückgeben könne, falls das Geschäft nicht anlaufen sollte.
Zum Glück konnte er die Maschine behalten. Sie ist immer noch, und wie Herr Weißer sagt ohne größere Reparaturen, im aktiven Einsatz. Und mit dem Unternehmen kann sie dieses Jahr 20 jähriges Jubiläum feiern.
Gerd Weißers Idee kam, rückblickend gesehen, genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Trend zum outsourcen erfasste nun auch die Messtechnik. 1989 konnte eine schöne, neue Halle bezogen werden. Die riesige Bandbreite an Teilen, die hier gemessen werden kann, hat diese Entwicklung sicher unterstützt. Das kleinste Teil kann im Millimeterbereich liegen, das größte 6 Meter lang sein.
Heute erwirtschaften 16 Mitarbeiter etwa eine Million Euro. Rein rechnerisch gibt es 1,5 Maschinen pro Mitarbeiter. Dadurch ist eine kurze Durchlaufzeit gewährleistet. Kunden schätzen die schnelle Reaktionsfähigkeit, wenn mal etwas brandeilig ist. Seine Kunden sind Zulieferer und Hersteller aus den Bereichen Automobilbau, Luft- und Raumfahrt, Modell- und Werkzeugbau, Maschinenbau, Spritzguss, Mikroelektronik und Energiesysteme, Medizintechnik und Möbelschreiner. Etwa 80% gehen direkt und indirekt an die Autoindustrie. Viele Kunden kommen aus der näheren Umgebung. Sie kommen heute aber auch aus ganz Deutschland und den Nachbarländern Österreich und Schweiz.
Das Angebot
Über die Kernkompetenz Erstmusterprüfung und Serienprüfung bis 6 000 mm Länge hinaus bietet messtronik
  • CNC-Messprogramme erstellen
  • portable Messtechnik zur Messung beim Kunden vor Ort
  • Digitalisierung, Flächenrückführung und Reverse Engineering von Freiformflächen bis hin zu Verzahnungen
  • Oberflächenprüfungen
  • Prüfmittelüberwachung
  • Projekt Engineering
  • Feinabstimmung von Spannvorrichtungen und Lehren
  • Flachschleifarbeiten mit Messprotokoll
  • Anwenderunterstützung und Schulungen
Der Maschinenpark erweiterte sich um berührungslose Messstationen von Leitz und Werth, ein Oberflächenmessgerät und mobile Messstationen: ein Leitz Theodolit , ein Faro-7-Achs-Arm mit Laserscanner und ein Optigo 100E von Cognitens.
Volumen-Scanning
Jörg Weißer, einer von zwei Söhnen des Firmengründers, weißt besonders auf das Volumen-Scan-System CGI hin. Dieses Verfahren ist vorteilhaft zur Erstbemusterung technischer Artikel mit komplexen Innenstrukturen, deren Zerstörung beim Messen aufgrund des Artikelpreises unbedeutend ist, deren Funktion während der Herstellung und der Nutzung jedoch hohe Anforderungen erfüllen muss.
Das System besteht aus einer Vertikalfräsmaschine mit integrierter Digitalkamera, einem Rechner und der Software. Das Bauteil wird in einen speziellen Kunststoff eingebettet und dann in dünnsten Schichten abgefräst. Nach jedem Fräsdurchgang nimmt die Kamera ein Bild von dem angeschnittenen Bauteil auf. So bleibt kein Hohlraum, keine Hinterschneidung verborgen. Das komplette Volumen wird hochgenau vermessen und als Punktewolke gespeichert. Im Rechner wird dann daraus ein komplettes Volumenmodell generiert. Die Vorteile des Verfahrens:
  • Schnellere Bemusterungszyklen
  • Mehr Informationen durch Punktewolke
  • Weniger Korrekturdurchläufe
Freiformflächen und Werkzeuge
Mit dem kontaktfreien 3-D-Messsystem Optigo von Cognitens geht Jörg Weißer zu seinen Kunden vor Ort. Die Stärken dieses Systems liegen in Freiformflächen, der Mobilität und der schnellen Datengewinnung. Das Bauteil wird nur hingelegt, optische Marker angebracht und sofort die Messbilder aufgenommen. Die Genauigkeit des Messsystems ist vergleichbar mit Blechmessgeräten und reicht für Tendenzmessungen. Innerhalb kurzer Zeit erhält der Kunde aussagefähige Falschfarbenbilder. Durch Digital Assembly werden mögliche Deformationen der einzubauenden Blechteile sofort erkannt. Unterschiedliche Farben kennzeichnen Abweichungen vom Sollmaß, Schnitte in interessierenden Ebenen lassen Details erkennen. Auf gleichem Wege können Spaltmaße und Bündigkeit an Übergängen von Bauteilen analysiert werden. Die aufgenommenen Geometrien können mit CAD-Daten verglichen werden. Schnitte zeigen die Abweichung von Soll und Ist. Mit den ermittelten Daten können Werkzeugen und Formen nachgearbeitet werden. Braucht der Anwender genauere Maße, kann er jetzt gezielt mit genaueren Messmethoden wichtige Distanzen ermitteln. Durch die Einschränkung auf wenige Messpunkte mit hoher Genauigkeit ergibt sich insgesamt oft eine wesentliche Zeitersparnis.
Von ganz klein bis ganz groß
Für hochpräzise Messaufgaben stehen eine FAG-Formprüfmaschine und Leitz Koordinatenmessmaschinen mit Messbereichen von 800 x 600 x 600 bis 6 000 x 3 800 x 2 500 zur Verfügung. Die große Leitz gibt es weltweit bisher nur 2 mal. Herausragend ist neben der Messunsicherheit von nur 2,0+L/250 die Flexibilität. Man kann durchaus mal eben ein kleines Teil in eine Schraubstock einspannen und messen. Taststifte ab 0,3 mm Kugeldurchmesser können auch kleinste Bohrungen antasten. Der Vorteil dieser sehr genauen Messgeräte ist, dass sowohl Lehren auf Verschleiß geprüft als auch riesengroße Werkstücke vermessen werden können, beispielsweise große Dieselmotoren, Windkraftgetriebe und Raketentriebwerke. Durch die hohe Messgenauigkeit bleibt die Messunsicherheit klein, so dass die Sicherheit von Messaussagen groß ist. Ähnliche Ausmaße erreichen die Bauwerke um die Messmaschine herum. Entsprechende Krananlagen sind erforderlich, die Halle muss mit schweren Lastwagen befahrbar sein und das Fundament reicht tief in die Erde. In einer Grundwanne ruht der 150 Tonnen schwere, eisenarmierte Fundamentblock auf einem Dämpfungssystem aus 14 pneumatisch verbundenen Luftkissen.
Was hat nun die Firma messtronik dazu bewogen, weit über eine halbe Million Euro für diese riesige Messmaschine zu investieren? Man sah hier eine Marktentwicklung. Ganz klar muss man sagen, dass es hier um die Bedienung eines Nischenmarktes geht. Der größte Bedarf an Messdienstleistungen wird nach wie vor mit den kleineren Anlagen befriedigt. Jedoch ist diese Nische ein Wachstumssegment. Unterstützt wird dieser Trend durch den stark expandierenden Markt für Windkraftanlagen. Mangels Möglichkeiten wurden diese Anlagen bisher nur eingeschränkt gemessen. Die Produzenten mussten sich darauf verlassen, dass ihre Maschinen die verlangte Qualität produzieren würden. Probleme im Betrieb und Druck von Versicherungsunternehmen zeigen, dass es doch nicht ohne Messtechnik geht. Die Größe der Anlagen erfordert Messmaschinen in der hier installierten Größe. Denn, standen am Anfang Anlagen mit 50 kW Leistung, sind heute solche mit 1 MW der Standard und geplant sind Windräder bis 5 MW. Entsprechend wachsen die Maße der kraftübertragenden Bauteile, für die es geeignete Messmittel geben muss. Ausschlaggebend für die Entscheidung war eine konkrete Anfrage von MTU. Die angefragten großen MTU-Dieselmotoren konnten nur auf einem Messgerät dieser Größe gemessen werden. Leitz musste es sein weil die geforderte Größe und Genauigkeitsklasse nur hier zu bekommen war. Mit ein Grund war die langjährige, gute Zusammenarbeit zwischen Leitz und messtronik Weißer. Messtronik findet hier jede mögliche Unterstützung bezüglich Service, Messsoftware, Schulung und Beratung. Leitz wiederum hat einen Partner, bei dem er seine Maschinen demonstrieren kann. Hier sehen potentielle Kunden auch das Umfeld einer Messmaschine, also Klima, Fundament, Krananlage, Messtisch und Messaufnahmen. Wichtig ist auch, zu zeigen was die Software leistet. Können etwa Sondergeometrien wie Schraubenverdichter oder Steuerkurven gemessen werden?
Wie sind die Aussichten?
Gerd Weißer blickt optimistisch in die Zukunft. Der Markt für Messdienstleistungen sei noch nicht ausgereizt, meint er. Die Vorteile der beiden Verfahren CGI Volumen Scanning und optische 3-D-Messtechnik seien noch nicht ausreichend bekannt. Eine starke Position sieht er auch in der Kombination von messen und bearbeiten. Messtronik kann Vorrichtungen nicht nur messen sondern auch fertig anpassen. Das spart Zeit und Wege. Auch große Industrieunternehmen werden nicht ohne weiteres in eine riesige Messmaschine investieren, der Bedarf an Messungen großvolumiger Teile wird aber steigen.
Messtronik durchläuft gerade ein Akkreditierungsverfahren. Herr Weißer hofft, dass das Verfahren dieses Jahr noch abgeschlossen werden kann. [JG]
QE 525
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