Startseite » Allgemein »

Ohne Ölbad

Vollautomatischer Vicat-Prüfer
Ohne Ölbad

Zum automatischen, ölfreien Vicat-Prüfgerät stellte Coesfeld jetzt auch einen Zuführungsautomaten vor, der bis zu 120 Proben vollautomatisch prüfen kann. Dieser Beitrag beschreibt das Gerät, und drei Materialprüfer aus Forschung und Wirtschaft berichten über ihre Erfahrungen nach monatelangem Testbetrieb mit dem Öko-Vicat.

Die Vicat-Erweichungstemperatur ist eine Kenngröße für amorphe Kunststoffe. Es ist jene Temperatur, bei der nach langsamem kontinuierlichen Aufheizen eine stumpfe Nadel von lmm2 Querschnitt 1 mm tief in die erweichende Probe eingedrungen ist. In den vier Methoden nach DIN EN ISO 306 ist festgelegt, dass die Proben mit 10 oder 50 N belastet werden und die Temperatur um 50 bzw. 120 K/h steigt.

In der Standard-Prüfanordnung wird die VST (Vicat Softening Temperature) mit Hilfe einer mechanischen Messuhr ermittelt. Dieses Verfahren setzte sich gegen eine Reihe anderer Verfahren vor allem deshalb durch, weil die Probenkörper einfach herstellbar sind und weil eine Originaloberfläche geprüft wird. Als Manko erwies sich jedoch die Nutzung eines Ölbades. Zwar gewährleistet es ohne besondere Maßnahmen eine gleichmäßige Temperaturverteilung, doch reagieren manche Kunststoffe mit dem Öl, und die Handhabung und Entsorgung der ölbehafteten Probenkörper ist wenig angenehm. Weiterhin dünstet es lästige Gerüche (Silikonöl u. U. auch Formaldehyd) aus und zersetzt sich bei hohen Prüftemperaturen relativ schnell.
Aus der Materialentwicklung kam außerdem der Wunsch, die Eindringtiefe als Funktion der Temperatur zu ermitteln, denn es wurde vermutet, dass Kunststoffe mit gleicher VST aber unterschiedlicher Molmasse wegen ihrer unterschiedlichen Relaxationsspektren hier ebenfalls unterschiedliche Eigenschaften zeigten.
1996 wurde schließlich die ISO 306 erweitert, so dass nun statt eines Flüssigkeitsbades auch eine Umluftheizung verwendet werden kann. Allerdings werden die Proben bei diesem Verfahren nur von einer Seite direkt mit der Umluft aufgeheizt, während die Unterseite nur indirekt über die Wärmeleitung der Probenauflage temperiert wird. Eine exakte Temperierung mit Luft ist daher nahezu unmöglich.
In der zukünftigen Norm wird die Art der Temperierung freigestellt sein, allerdings muss die Qualität der Temperierung nachgewiesen werden. Als logische Folge erhielt der neue Coesfeld Vicat -Prüfer daher kein Ölbad sondern pneumatisch öffnende und schließende Probenkammern aus verchromtem Kupfer. Hier sind die Proben während des gesamten Tests mit gleich bleibender Kraft leicht zwischen Boden und Deckel der Probenkammern eingespannt. Die Kupferplatten enthalten elektrische Heizelemente und gewährleisten einen optimalen Wärmeübergang.
Insgesamt sechs Kammern sind in das untere Kupferelement eingearbeitet. Ein kleiner Kolben in jeder Kammer wird durch Federkraft nach oben gedrückt. Nachdem das pneumatisch bewegte obere Kupferelement die Kammern oben abgeschlossen hat, liegt die Probe eingespannt zwischen gleichmäßig temperierten Kupferelementen, da die gefederten Kolben dem Druck von oben nachgegeben haben.
Damit wird die Probe von oben und unten durch die Kupferelemente aufgeheizt und ist auch an den Seiten von temperiertem Kupfer umgeben, ohne dass ihre Wärmeausdehnung beeinträchtigt wird.
Von unten wird mit der vorgegebenen Kraft eine Vicat-Nadel durch eine Bohrung des Zylinders gegen die Probe gedrückt. Die Gewichte wirken über einen Hebelmechanismus, so dass nur jeweils die halbe Masse benötigt wird und das Gerät daher weniger schwer ist. Die Gewichte sind zweigeteilt damit beide Normgewichte, 10 N und 50 N, automatisch aufgelegt werden können.
Die Aufheizung wird mit acht PT 100 Sensoren überwacht die jeweils so dicht neben jeder Vicat-Nadel eingesetzt sind, dass sie stets die gleiche Temperatur wie Kolben und Nadel haben. Intensive Vergleichsmessungen (s. a. ,,Erfahrungen aus der Praxis 1 + II“) haben gezeigt, dass der Wärmeübergang vom unteren Kupferblock zu den Andrück-Kolben vollkommen gleichmäßig erfolgt.
Die Bewegung jeder Vicat-Nadel wird von einem induktiven Wegsensor erfasst.
Sechs der kleinen Prüfzylinder sind kreisförmig im unteren Kupferblock angeordnet, und beide Kupferblöcke sind im Interesse einer gleichmäßigen Temperaturverteilung möglichst klein gehalten. Daher kann einerseits auf Umwälz-Lüfter verzichtet werden, andererseits erlaubt die geringe Masse ein schnelles Abkühlen ohne großen Energieaufwand und ohne nennenswerte Wärmeabstrahlung
Erfahrungen aus der Praxis
Dipl.-Ing. Stefan Delp und Dr. Jürgen Lehmann, Mitarbeiter der Röhm GmbH in Darmstadt, waren maßgeblich an der Entwicklung eines Prototypen beteiligt, der bei Coesfeld zum Öko-Vicat Prüfgerät weiterentwickelt wurde. Sie führten die Ergebnis-Streuung zwischen verschiedenen Vicat Methoden auf eine mangelhafte Wärmeübertragung zwischen Medium und Probe zurück (bei Messung der Vicat-Temperatur im Medium) und setzten daher auf ein metallisches Temperiermedium und die Temperaturmessung unmittelbar neben der Probe. Sie haben zahlreiche Vergleichsuntersuchungen mit dem von ihnen entwickelten Prototypen und normgemäßen Geräten verschiedener Hersteller angestellt. Hier sind einige Zitate Ihrer Aussagen zum Coesfeld-Öko-Vicat Tester:
Schneller Zyklus
Das Programm zur PC-Steuerung gibt die Reihenfolge der Bedienungsschritte vor, regelt die Heizung so dass die Probentemperatur (und nicht nur die Temperatur des Mediums) dem vorgegebenen Gradienten folgt, und stellt die Eindringtiefe als Funktion der Temperatur auf dem Bildschirm dar.
Nach Erreichen der Vicat-Werte speichert der Rechner die Werte automatisch ab, schaltet die Heizung aus und kühlt das Gerät automatisch herunter. Erste Versuche zur Sicherstellung des eigensicheren Betriebes zeigten, dass eine Aufschmelzüberwachung von Vorteil ist. Denn, wenn von den unterschiedlichen Proben im gleichmäßig temperierten Kupferblock die eine schmilzt, bevor die andere ihre VST erreicht hat, wird die Reinigung der Kammern sehr aufwändig.
So verfügt das Gerät heute über eine Schmelzerkennung, welche die Messung rechtzeitig automatisch beendet. Ein Aufschmelzen kann z.B. bei vertauschten Proben drohen oder falls Proben unmittelbar bei Belastung zerbrechen.
Ein besonderes Highlight ist die Öko-Vicat-Software:
Sie ist intuitiv bedienbar, d.h. die wichtigsten Messparameter können vom Bediener ohne besondere Vorkenntnisse und ohne Einarbeitung einfach variiert werden. Nach dem Start läuft die Messung automatisch und die Software lässt anschließend einen Prüfreport ausdrucken.
Alternativ können die Messparameter der Prüfaufträge auch über eine Datenbankschnittstelle vom LIMS eingelesen und die Messwerte dorthin zurück gegeben werden.
Das geschieht entweder allein durch Druckluftkühlung oder innerhalb weniger Minuten durch eine zusätzliche Wasser-kühlung. Die Dauer eines Messzyklus hängt somit fast ausschließlich von der eigentlichen Prüfzeit, also der Höhe der VST, und der Aufheizgeschwindigkeit ab.
Leichte Funktionsprüfung
Alle Komponenten des Prüfgerätes sind ohne besonderen Aufwand jederzeit leicht überprüfbar. Die Temperaturmesskette wird komplett mit kalibrierten Digitalthermometern überprüft, die Eindringtiefenmessung mit zertifizierten Einlege-Endmaßen. Die Leichtgängigkeit der Nadeln lässt sich manuell überprüfen.
Sichere Messergebnisse
Die Ergebnisse der Öko-Vicat Prüfung stimmen hervorragend mit denen eines herkömmlichen Ölbad-Gerätes überein, ebenso die Konstanz der Messergebnisse wenn im Ölbad auf die Probentemperatur zurückgegriffen wurde.
Weg-Temperatur Funktion
Dank der PC-Auswertung lässt sich die Messung als Weg-Temperatur-Diagramm anzeigen. Ungewöhnliche Kurven offenbaren fehlerhafte Probenkörper (z.B. gewölbt oder mit Grat). Dabei deutlich erkennbar ist das hohe Modul des Materials während der Aufheizphase bis 65 0C (Gradient 270 K/h). Ab 65 0C beträgt der Gradient bei noch hohem Modul normgerecht 50 K/h, die Nadel dringt nur minimal ein. Erst ca. 15 0C unterhalb der Vicat-Temperatur (VST=108,70C) beginnt der Erweichungsbereich dieses Materials, gefolgt von einem raschen Eindringen der Nadel. Die Breite des Erweichungsbereiches ist eine bisher bei der Vicat-Prüfung nicht gemessene Zusatzinformation (z.B. über den Modifieranteil bei schlagzäh modifiziertem Material).
Kein Abzug
Da keine Dämpfe austreten, benötigt der Öko-Vicat auch bei der Prüfung hochtemperaturbeständiger Kunststoffe keinen Platz unter dem Abzug.
Für Systemverwalter steht passwortgeschützt eine große Auswahl von Optionen zur Verfügung, mit denen der Programmablauf den individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann, so dass z.B. der Bediener nur einen oder zwei Parameter einzugeben braucht und die übrigen Einstellungen in einem der individuell erstellten und abrufbereit gespeicherten Messprogramme festgelegt sind.
Automatische Diagnoseprotokolle ermöglichen eine schnelle, kostengünstige Ferndiagnose. Die speicherprogrammierbare Steuerung des Öko-Vicat besitzt Sicherheitsverriegelungen, so dass die Technik nach unsachgemäßen Programmänderungen am PC keinen Schaden nimmt. Jede Messstelle kann online kalibriert werden, d.h. es brauchen keine Faktoren eingegeben zu werden, sondern nur der gemessene Temperatur-Referenzwert oder der Wert des eingelegten Endmaßes. Mit wenig Zubehör wird die Kalibrierung im Rahmen der Messmittelüberwachung nach ISO 9000 zur einfachen Routine.
Die Messprotokolle können, getrennt für jede Probengruppe, entweder nach der mitgelieferten Maske ausgedruckt oder vollkommen frei gestaltet werden. Die einzelnen Elemente (Logo, Messkurve, Messparameter etc.) sind ohne besondere Einarbeitung per Drag-and-Drop platzierbar.
Eine weitere Praxisanwendung
Thomas Horn aus der Aweta Thermoplaste der BASF in Ludwigshafen benutzt in seinem akkreditierten Labor seit mehreren Jahren das Öko-Vicat-Prüfgerät mit Zuführungsrobotern für zertifizierte Prüfungen.
Die dortigen Prüfungen ermitteln die Auswirkungen neuer Zuschläge und Additive auf das Erwichungsverhalten verschiedenster Kunststoffe. Die ermittelten Vicat-Temperaturen liegen meist im Bereich unter 200 0C, gelegentlich betragen sie allerdings auch bis zu 250 0C.
Die Erfahrungen seiner Mitarbeiter fasst er in folgenden Stichpunkten zusammen:
  • kein Hantieren mit Gewichten, denn die Belastung erfolgt automatisch
  • einfaches Handling der kleinen Proben
  • komfortable PC-Steuerung; mehrere Personen haben sich leicht einarbeiten können, da die Handhabung wegen des guten Dialogsystems sehr einfach ist
  • das Gerät kühlt schnell herunter, unterstützt von einem Kryostraten mit einem geschlossenen Kühlwasserkreislauf; es ist damit vom jahreszeitlichen Temperaturschwankungen des Kühlwassers unabhängig
  • schnelle Rückkühlung erhöht den Durchsatz gegenüber Öl-Vicat-Prüfungen erheblich
  • sicherer 24-h-Betrieb durch problemlos arbeitenden Zuführungsroboter
  • einfache Wegkalibrierung mit Endmaßen beim Anwender jederzeit möglich
  • geringer Platzbedarf; Gerät ist auch mit Zuführungssystem nicht größer als ein Öl-Vicat-Prüfgerät
QE
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de