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Opto–taktiler Taster

Sensor zur Messung kleiner Strukturen auf KMG
Opto–taktiler Taster

Zunehmende Miniaturisierung bei der Fertigung mechanischer Strukturen stellt die klassische taktile Koordinatenmeßtechnik häufig vor nicht lösbare Aufgaben. Der kleinste realisierbare Tastkugeldurchmesser bei konventionellen Tastersystemen ist 0,2 mm. Diese Tastkugelgröße führt aber zu erheblichen Problemen in der Handhabung und auch die Genauigkeit der Messungen nimmt aufgrund der großen elastischen Effekte im Taststift stark ab.

G. Ji, H. Schwenke, E. Trapet, PTB Braunschweig

Bei der Messung kleiner Strukturen weicht man deshalb meist auf optische Verfahren aus. Koordinatenmeßgeräte mit optischer Antastung, die mit einer leistungsfähigen Bildverarbeitung kombiniert werden, können vorwiegend 2-dimensionale Strukturen gut erfassen. Jedoch ergeben sich bei der optischen Messung von realen Werkstücken immer wieder Schwierigkeiten (Abb. 1).
l Technische Oberflächen unterscheiden sich stark in ihren optischen Eigenschaften (Farbe, Reflexionsgrad, Rauheit)
l Die Kantenfindung hängt von dem verwendeten Algorithmus und der Beleuchtung ab
l Es kann im allgemeinen nur auf Oberflächen gemessen werden, die näherungsweise senkrecht zur Kameraachse liegen
l Transparente Werkstoffe (z.B. Acrylglas bei Glasfasersteckern) können nicht gemessen werden
l Die eindeutige Kantenfindung ist häufig durch Fasen und Materialverwerfungen gestört
l Voll dreidimensionale Geometrien (Zylinder, Kegel, Kugel) sind schwer zu erfassen
l Insbesondere Sacklöcher lassen sich schlecht beleuchten und abbilden.
Besonders deutlich werden diese Probleme beim Messen sehr kleiner Bohrungen ( 0.5 mm), wie z.B. von Drahtziehsteinen, Sieben oder bei den wirtschaftlich sehr relevanten Einspritzdüsen für Diesel- oder Ottomotoren.
Um auch Strukturen im Sub-Millimeter Größenbereich mechanisch antastend messen zu können, gab es bereits zahlreiche Versuche, mechanische Tastsysteme weiter zu miniaturisieren [1,2,3,4].
Diese Verfahren basieren jedoch alle direkt oder indirekt auf der Aufnahme von Krafteinwirkungen. Im letzten Jahr wurde in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ein Tastsystem entwickelt, das die Vorteile von optischer und taktiler Meßtechnik kombiniert. Dieses System ist in jetzt in die Industrie transferiert und dort optimiert und zu einem praxistauglichen Produkt weiterentwickelt worden [5]. Im folgenden wird die Funktionsweise des Tastsystems beschrieben und es werden Meßergebnisse aus dem Experimentalstadium in der PTB vorgestellt.
Mikrotaster
Das Funktionsprinzip basiert auf einer Bestimmung der Tastkugelposition durch eine Abbildungsoptik und eine CCD-Kamera. (Abb. 2). Als Taststift wird eine Lichtleitfaser verwendet. Sie wird an der Spitze mit einem kugelförmigen Tastelement versehen, das durch die Faser beleuchtet wird. Die Lichtleitfaser wird dabei so an die Kameraoptik montiert, daß das Tastelement in der Fokusebene in der Nähe der optischen Achse gehalten wird. Das rückgestreute Licht der Kugel wird so als heller Lichtfleck auf dem CCD-Sensor abgebildet. Die Glasfaser über dem Tastelement bleibt für die Kamera weitgehend unsichtbar, da sie sich außerhalb der Fokusebene befindet.
Bei der Berührung des Tastelementes mit der Werkstückoberfläche (und damit der relativen Verschiebung zur Kamera) ändert der Lichtfleck seine Position auf dem Sensor: Diese Positionsänderung kann detektiert und mit Subpixelgenauigkeit ausgewertet werden (Abb. 3).
Für die bisher eingesetzte 10-fache Vergrößerung und einem CCD-Sensor mit einer Pixelgröße von 10 µm ergibt sich ein Abbildungsmaßstab von 1 µm pro Pixel. Bei der Abbildung des Tastelementes über mehr als 50 Pixel auf dem Umfang läßt sich theoretisch eine laterale Auflösung des Meßsystems von weniger als 0,05 µm erreichen. Die tatsächlich erreichbare Auflösung des Systems ist jedoch stark von der Abbildungsqualität des Lichtflecks abhängig.
Der grundsätzliche Vorteil dieser Technik liegt darin, daß für die Detektion der Antastung keine Kraftübertragung zwischen Tastelement und Sensorik erforderlich ist. Dies eliminiert alle Einflüsse durch elastische oder plastische Verformung das Taststiftes. Damit kann die Glasfaser extrem dünn ausgeführt werden: Bisher wurden Faserdurchmesser von 20 µm und Tastkugeldurchmesser von 40 µm realisiert. Auch adhäsive Kräfte, die zwischen der Werkstückoberfläche und dem Tastelement wirken (häufig unterstützt durch einen feinen Wasserfilm, der auf den Oberflächen haftet) beeinflussen so das Meßergebnis nicht. Bei kraftmessenden Tastsystemen können diese Effekte hingegen zu deutlichen Hysteresen führen.
Konstruktive Ausführung
Für die funktionale Optimierung des Systems waren besonders folgende Punkte wichtig:
l Eine hohe Oberflächenqualität des Tastelementes
l Gute optische Eigenschaften des Tastelementes (starke Reflexion / Rückstreuung)
l Gute mechanische Eigenschaften der Glasfaser (Nachgiebigkeit, Bruchfestigkeit)
l Eine verlustarme Einkopplung der Lichtquelle
l Eine einfache Justierung der Glasfaser im Bildfeld und im Fokus der Kamera
l Eine hohe optische Qualität der Abbildungsoptik
l Eine geeignete Kalibrierstrategie
l Eine angepaßte Bildverarbeitungs-Software
Zur Fertigung des Tastelementes wurden unterschiedliche Verfahren erprobt: Zum einen das thermoplastische Ausformen eines kugeligen Elementes aus der Glasfaser und zum anderen das Kleben einer Glaskugel an ein Glasfaserende (Abb. 4).
Probleme bei der Detektierung der Kugelposition gibt es durch Licht, das aus dem beleuchteten Tastelement auf die Oberfläche des Werkstücks fällt und dort reflektiert oder gestreut wird. Dieses Licht kann zur Verminderung der Kontraste des Lichtflecks oder sogar zu Spiegelbildern des Tastelementes an der Werkstückoberfläche führen. Durch eine reflektierende Beschichtung oder die Trennung von Tastelement und Zielmarke können diese Effekte jedoch gemindert werden. Die optischen Eigenschaften des Tastelementes bei gleichzeitiger Minimierung des Fertigungsaufwandes zu verbessern, bleibt weiterhin ein Hauptziel der Entwicklung.
Die mechanischen Eigenschaften der Glasfaser lassen sich durch geschickte Proportionierung von Durchmessern und Längen und durch das Verfahren beim thermischen Verformen der Glasfaser optimieren. Ausgangsprodukt der Herstellung sind bisher Quarzglas-Multimode Lichtleitfasern mit einem Außendurchmesser von 125 µm. Diese werden dann unter Wärmezufuhr auf einen Durchmesser von bis unter 20 µm auseinandergezogen, um die geforderte Größenordnung zu erreichen. Das Umformen der Glasfasern erfordert eine abgestimmte Technologie, die Kristallisation der Schmelze, Mikrorißbildung und innere Spannungen vermeidet, um die mechanische Belastbarkeit der Glasfaser zu erhalten. Zusätzlich besteht beim Biegen die Gefahr, daß der Kern bricht.
Als Lichtquelle für die Beleuchtung des Tastelementes kann eine Kaltlichtquelle, eine Leuchtdiode oder eine Laserdiode dienen. Zur Einkopplung wird eine handelsübliche Einkoppeloptik verwendet.
Die Ausrichtung von Faser und Tastelement ist in fünf Freiheitsgraden notwendig:
l Zwei Freiheitsgrade in Richtung der Bildebene (Zentrierung)
l Ein Freiheitsgrad in Richtung der optischen Achsen (Fokussierung)
l Zwei Freiheitsgrade zur groben Ausrichtung des unteren Faserendes in Richtung der optischen Achse.
Die Genauigkeit der Ausrichtung muß jedoch nicht in der Größenordnung der Meßgenauigkeit liegen: Referenzsystem ist der CCD-Sensor und durch die Ausrichtung muß das Tastelement nur in den Bereich des Sensors gebracht werden, in dem dieser scharf abbildet.
Ein wichtiger Punkt für die praktische Anwendung des Tastsystems ist ein geeignetes Einmeß-Verfahren. Zum einen muß der Radius des Tastelementes bestimmt werden, zum anderen muß auch der Bezug zu anderen im System befindlichen Sensoren gebildet werden. Die Einmessung kann, wie bei einem klassischen taktilen System, über eine Kalibrierkugel erfolgen. Diese darf dabei durchaus den üblichen Durchmesser von 25-30 mm haben. Da das System jedoch bisher nur in Richtungen parallel zur Bildebene sensitiv ist, kann die Antastung der Kugel nicht in direkter Nähe der Polkappe erfolgen. Trotzdem ist der Bezug in der dritten Raumrichtung durch die Kugelposition gegeben, wenn auch in leicht erhöhter Unsicherheit in der Richtung der optischen Achse.
Ergebnisse
Im folgenden werden Ergebnisse beschrieben, die mit einem Tastkugeldurchmesser von 60 µm und einem Faserdurchmesser von ungefähr 35 µm in der PTB erzielt wurden. Die freie Faserlänge dieses Systems beträgt ungefähr 10 mm, die maximale Eintauchtiefe in Bohrungen beträgt je nach Durchmesser der Bohrungen 1-5 mm: Wird tiefer in einer Bohrung gemessen, gelangt nicht mehr ausreichend Licht von dem Tastelement zur Auswerteoptik, um eine zuverlässige Auswertung durch die Bildverarbeitung zu gewährleisten.
Um die Fähigkeiten des Systems zu demonstrieren, ist in der PTB eine vollständige Zylindermessung an einer 0,8 mm tiefen Mikrobohrung mit einem Durchmesser von 214 µm durchgeführt worden. Abb. 6 zeigt die gemessene Form der Bohrung als abgewickelte Mantelfläche.
In der PTB wurde bisher eine eindimensionale Antastunsicherheit gemäß VDI/VDE 2617 Blatt 3 von 0,15 µm realisiert. Für die zweidimensionale Antastunsicherheit sind unter optimalen Bedingungen vergleichbare Werte möglich, da diese im wesentlichen durch die Geometrieabweichungen des KMG, die Abbbildungsoptik und die Bildverarbeitung begrenzt wird.
Der opto-taktile Mikrotaster besitzt nämlich im Gegensatz zu anderen Tastsystemen in der Ebene keine Vorzugsrichtung.
Das vorgestellte System kann in vielen Bereichen eingesetzt werden, in denen bisher konventionelle Tastsysteme zum Einsatz kommen, insbesondere dort, wo kraftmessende Tastsysteme aufgrund ihrer Größe nicht mehr verwendet werden können. Dies sind neben den oben beschriebenen kleinen Bohrungen besonders
l Gewinde
l Kleine Verzahnungen
l Steckverbindungen (Mikroelektronik und Lichtleittechnik)
l Uhrenbau
l Sonstige mikromechanische Bauteile
Sehr nachgiebige Werkstücke (geringe Wanddicken oder elastischer Werkstoffe)
Vorteilhaft ist besonders der kombinierte Einsatz mit rein optischen Meßverfahren. Durch eine CNC-gesteuerte Einschwenk-Einheit kann mit einem Meßgerät sowohl klassisch optisch als auch mit dem optisch-taktilen Tastsystem in einem Bezugssystem gemessen werden (Abb. 5).
Besonderes Schwergewicht in der Weiterentwicklung wird auf die volle 3D-Fähigkeit gelegt, da erst dies einem an einem KMG eingesetzten System zur vollen Kompatibilität mit konventionellen Systemen verhilft. Ferner wird versucht, die Tastelemente weiter zu verkleinern ( 20 µm) und in ihren optischen und mechanischen Eigenschaften zu optimieren. Dadurch soll es auch möglich werden, Bohrungen mit noch ungünstigerem Verhältnis von Durchmesser zu Bohrungslänge messen zu können.
Literatur
[1] Vliet, W. v., Development of a Fast Mechanical Probe for CMM, Technische Universität Eindhoven, Eindhoven 1996, Niederlande
[2] Ohnheiser, R., Ein miniaturisierter Quarztaster zur Messung filigraner Werkstücke, VDI Berichte Nr. 1155, Düsseldorf 1994, S. 41-47.
[3] Hoffrogge, C., Mann, R., Das Messen der Formabweichung von Mikrobohrungen mit Durchmessern bis zu 0,06 mm, Maschinenmarkt, Würzburg, 82 (1976), S.1238-1240
[4] Hoffrogge, C., Mann, R., Meßeinrichtung zum Bestimmen des Durchmessers von Mikrobohrungen, Maschinenmarkt, Würzburg 83 (1977) 30, S.578-581
[5] Hochpräziser Mikrotaster, Werksveröffenlichung Werth Messtechnik GmbH,QE 5/98, S.28
[6] Werkbild: Werth Meßtechnik
Weitere Informationen A QE 406
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