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Renishaw-Geschäftsführer Müller: „Messtechnik macht die Automation der spanenden Fertigung möglich“

Interview
Renishaw-Geschäftsführer Müller: „Messtechnik macht die Automation der spanenden Fertigung möglich“

Ausbau des Standorts in Pliezhausen, gute Auftragslage in Deutschland sowie die aktuellen Trends in der Fertigungsmesstechnik – das sind die Themen über die wir mit Heiko Müller, Geschäftsführer von Renishaw, im Interview im Vorfeld der EMO sprachen.

» Sabine Koll

Brexit, Lieferkettenprobleme durch Corona, Ukrainekrieg, der Umbruch in der Automobilwirtschaft in Richtung E-Mobilität: Welche Auswirkungen hatte beziehungsweise hat dies auf das Messtechnik-Geschäft von Renishaw in Deutschland?

Heiko Müller: Gerade der Brexit hat für uns als Unternehmen mit Hauptsitz in England viele Veränderungen gebracht, denn seitdem können die europäischen Tochtergesellschaften die Produkte aus England nicht mehr direkt ohne Zoll einführen. Wir mussten also umdenken. Für die deutsche Organisation hat dies auch Vorteile gebracht, denn wir übernehmen in Pliezhausen einige Zentralfunktionen für die EMEA-Region: Wir haben einen Service-Hub, in dem wir Produkte für unsere Kunden reparieren und überholen, für Europa aufgebaut. Wir haben dafür neue Mitarbeiter eingestellt, die in der Lage sind, unsere Produkte zu reparieren, zu prüfen und zu kalibrieren. Das Service-Geschäft wird weiter wachsen, wir sehen in diesem Bereich Wachstumspotenzial. Die ersten europäischen Landesgesellschaften – Niederlande, Frankreich, Italien – sind bereits an unseren neuen Service-Hub angebunden, nun folgen die anderen Länder sukzessive. Innerhalb der Renishaw-Gruppe ist die Renishaw GmbH mittlerweile ein äußerst wichtiger Standort für Logistik, Service Vertrieb und Anwendungstechnik mit hervorragend ausgebildeten, hochqualifizierten Fachkräften.

Das heißt, Sie investieren hier kräftig?

Müller: Ja, es gibt ein aktives Bekenntnis in unseren Standort: Deutschland ist der wichtigste Markt in Europa für Renishaw. In Summe werden wir einen zweistelligen Millionenbetrag in den nächsten Jahren in die Renishaw GmbH investieren. Denn außerdem entsteht in Pliezhausen ein neues automatisiertes EMEA-Logistikcenter für Neuprodukte und Ersatzteile. Die Räumlichkeiten dafür sind vorhanden. Deswegen war es eine logische Konsequenz, dass wir die beiden Zentralfunktionen übernehmen. In dem Zug haben wir uns vor dem Hintergrund unserer unternehmensweiten Nachhaltigkeitsstrategie auch die Gebäude in Pliezhausen angeschaut und uns zur Sanierung der Gebäude sowie einer Abkehr kohlenstoffhaltiger Energieträger entschlossen.

Renishaw schließt das Geschäftsjahr immer Ende Juni ab. Das heißt, für das gesamte Geschäftsjahr 2023 liegen noch keine Ergebnisse vor. Können Sie uns dennoch verraten, wie sich das Geschäft mit der Messtechnik entwickelt hat?

Müller: Im Geschäftsjahr 2022 hat die Renishaw Gruppe den Umsatz um 19 % gesteigert, in der EMEA-Region sogar um 22 %. In der ersten Hälfte des gerade abgeschlossenen Geschäftsjahres – also von Juli bis Dezember 2022 – stieg der Umsatz um 7 %. Die Zuwächse sind vor allem getragen durch unser Geschäft im Bereich der Werkzeugmaschinen. Auch der Absatz von Wegmesssystemen hat erneut stark zugelegt. Im Bereich der Koordinatenmesstechnik freuten wir uns über Wachstum im Endkundenbereich. Insgesamt blicken wir sehr zufrieden auf das abgelaufene Geschäftsjahr – wenngleich in den vergangenen Monaten die Dynamik im Auftragseingang gefehlt hat.

Die EMO steht vor der Tür. Welche Entwicklungen beobachten Sie aktuell in der Fertigungsmesstechnik?

Müller: In der spanenden Fertigung geht der Trend ganz klar in Richtung Prozessautomation – und dabei wird die Messtechnik mehr denn je mit einbezogen. Das ist dem Fachkräftemangel geschuldet, aber auch dem Wunsch, möglichst wenig Ausschuss zu produzieren. Hinzu kommt, dass Bauteile für die Elektromobilität deutlich geringere Toleranzen aufweisen. Außerdem befassen sich mit dem Thema Automation heute nicht nur Großserienhersteller, sondern auch Unternehmen, die Losgrößen von 50 bis 200 Stück fertigen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Automation muss flexibel sein. Und diese Anforderung wird auch an die Messtechnik gestellt. Wir kooperieren mit Werkzeugmaschinen-Herstellern, um industrielle Messtechnik in flexible Automationslösungen zu integrieren.

Welche Produkte betrifft dies konkret?

Müller: Das betrifft zum einen die In-Prozess-Messung mit unseren Messtastern und Laser-Werkzeugmesssystemen für Werkzeugmaschinen, die eine effiziente und ressourcenschonende Bearbeitung ermöglichen. Aber auch die prozessbegleitenden Messungen im Closed Loop mit unserem Prüfgerät Equator werden immer häufiger durchgeführt, wobei die Messwerte vom Equator an die Steuerung der Werkzeugmaschine zur Korrektur zurückgespielt werden.

Eignet sich der Equator auch für Kleinserien?

Müller: Grundsätzlich ist der Equator für die Überwachung von Großserien in der Produktion gedacht, aber es gibt auch Unternehmen, die ihn bei mittelgroßen Serien einsetzen. So hat sich ein Kunde von uns damit eingehend auseinandergesetzt und nutzt den Equator sehr flexibel für ein definiertes Teilespektrum. Die Voraussetzung schafft er dadurch, dass die jeweiligen Programme erstellt sind und die Masterteile am Prüfgerät bereit stehen.

Sie haben die Software des Equator vor zwei Jahren für andere Hersteller geöffnet. Warum?

Müller: Wir haben mit diesem Schritt die Eintrittsbarriere für den Equator gesenkt. Die Offenheit unserer Hardware für Software von Drittanbietern ist für uns ja nichts Neues, da unser stärkstes Produkt, der Messtaster, mit allen Steuerungen in Werkzeugmaschinen kompatibel sein muss. Daher war dieser Schritt nur folgerichtig.

Welche Vorteile hat die Öffnung der Equator-Software?

Müller: Unsere Kunden konzentrieren sich im Messraum meist auf eine Software. Wenn sie den Equator für das fertigungsbegleitende Messen einsetzen wollen, mussten sie ihn in der Vergangenheit mit unserer Software Modus programmieren. Durch die Öffnung ermöglichen wir den Kunden, ihre gewohnte Messsoftware zu verwenden, indem sie aus dem Software-Programm des Koordinatenmessgeräts die wesentlichen Merkmale, die mit dem Equator in der Produktion gemessen werden sollen, nahtlos extrahieren können. Derzeit haben wir entsprechende Vereinbarungen mit einigen namhaften Herstellern, darunter Zeiss, Wenzel und Hexagon, getroffen. Weitere werden folgen.

Inwiefern ist das Messen mit dem Equator schon automatisiert, was das Teilehandling anbetrifft?

Müller: Auch dies setzen einige Kunden bereits um, macht aber wirklich nur bei Großserien Sinn. In dem Fall arbeiten wir in der Regel mit Integratoren zusammen.

Welchen Stellenwert hat die Software-Entwicklung bei Renishaw heute?

Müller: In der Entwicklung in Großbritannien stellen wir verstärkt Software-Spezialisten ein. Dadurch, dass die Messtechnik auf den Shopfloor wandert, müssen wir die Bedienphilosophien unser Produkte so gestalten, dass nicht nur der Messtechniker, sondern auch der Werker an der Maschine unsere Messgeräte leicht und intuitiv bedienen kann. Da prallen letztlich zwei Welten aufeinander, die wir aber beide bedienen wollen. Mittlerweile haben wir auch reine Software-Lösungen entwickelt wie die Plattform Renishaw Central, mit der Fertigungs- und Messprozesse in Fabriken digitalisiert, visualisiert und kontrolliert werden können. Hier fließen die Daten aus Fertigungs- und Messmaschinen ein. Für die Rückführung in die Bearbeitung nutzen wir unsere Softwarefunktion „Intelligent Process Control“ (IPC), die an moderne Werkzeugmaschinensteuerungen angeschlossen werden kann. Sie liest die Messresultate in Echtzeit. So können Offsetwerte aktualisiert und eine durchweg automatisierte Prozesskontrolle ermöglicht werden.

Renishaw GmbH
Karl-Benz-Straße 12

72124 Pliezhausen
www.renishaw.de


Winziger Messtaster für Werkzeugmaschinen

Mit seinem Durchmesser von 24 mm und seiner Länge von 31,4 mm ist der neue RMP24-micro nach Einschätzung von Renishaw der kleinste kabellose Messtaster für Werkzeugmaschinen auf dem Markt. Mit seiner Messwiederholgenauigkeit von 0,35 µm (2 Sigma) und seinen geringen Antastkräften eignet er sich sehr gut für kompakte Maschinen zur Herstellung hochpräziser Bauteile, wie sie in der Medizin-, Uhren- und Mikromechanikindustrie zu finden sind.

Der Messtaster nutzt das aktualisierte Funkübertragungsprotokoll von Renishaw, um – über das RMI-QE Funkinterface – mit der Werkzeugmaschinensteuerung zu kommunizieren. Er besitzt einen Messbereich von bis zu 5 m und nutzt eine per Frequenzsprungverfahren (FHSS) im 2,4-Gigahertz-Bereich arbeitende Funksignalübertragung, die industrieerprobt ist und den weltweiten Funkvorschriften entspricht. Durch die FHSS-Technologie können sowohl der Messtaster als auch das Interface ohne Unterbrechung der Kommunikation von Kanal zu Kanal springen, sodass das Tastsystem neben anderen Funkquellen wie Wifi, Bluetooth und Mikrowellen eingesetzt werden kann. Das geht bei anderen Protokollen nicht, denn für den Betrieb in der gleichen Umgebung kann ein manueller Eingriff erforderlich sein.



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