Startseite » Allgemein »

Schnelle und sichere Fertigungskorrekturen

Analyse von Verzahnungsabweichungen
Schnelle und sichere Fertigungskorrekturen

Die Korrektur von Fertigungsabweichungen ist eine Aufgabe, die unter Zeitdruck erfolgt und erhebliche Kosten verursachen kann. Korrekturwerte müssen mit Sorgfalt bestimmt werden, ihre Pausibilität ist nachzuweisen. Dies gilt besonders für die Fertigung von Verzahnungen bei denen komplexe Zusammenhänge zu berücksichtigen sind. Vorgestellt wird ein Analyseprogramm, dass es dem Bediener erleichtert, diese Zusammenhänge zu verstehen, Fehlereinflüsse abzuschätzen und Fehlerursachen zu ermitteln. Es erlaubt eine schnelle und interaktive Änderung von Verzahnungsabweichungen und die Bestimmung von Korrekturwerten

Dr.-Ing. G. Gravel, Leiter Qualität, Frenco GmbH, Altdorf

Die Fertigung von Verzahnungen ist auf dem Weg vom Rohteil zum Endprodukt einer Fülle von Störgrößen ausgesetzt, die die Qualität des Ergebnisses mindern. Störgrößen sind z. B. die Umgebungsbedingungen wie die Temperatur oder Verformungen durch Kräfte. Die beste Art der Behandlung einer Störgröße ist ihre Beseitigung. Am Beispiel der Temperatur bedeutet dies die Fertigung in einer klimatisierten Umgebung. Ist dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich, so ist als nächster Schritt die Erfassung der Störgröße und die Kompensation ihrer Auswirkungen sinnvoll. Wenn allerdings die Störgröße unbekannt oder ihr Einfluss nicht vorherbestimmbar ist, ist es notwendig, die gefertigten Werkstücke zu messen und einen Regelkreis aufzubauen, wie er in Bild 1 skizziert ist.
Korrekturwerte ermitteln
Ausgehend von der Messung ist an den Abweichungskurven eine Analyse durchzuführen mit dem Ziel einen Korrekturwert zu ermitteln, der bei der Fertigung dann die Abweichungen deutlich reduziert. Eine Vorraussetzung ist natürlich, dass die zu korrigierenden Abweichungen systematischer und nicht zufälliger Natur sind. Die Ermittlung der Korrekturwerte muss mit Sorgfalt erfolgen – schnell ist sonst das Ergebnis nach der Korrektur schlechter als vorher. Neben der Frage, wie sich die Störgröße auswirkt und wie groß die erzeugten Abweichungen sind, ist zu prüfen, ob die Störgröße konkret als Ursache wahrscheinlich ist. Für eine sichere Aussage sind die geometrischen Zusammenhänge zu berücksichtigen und die Plausibilität der Ergebnisse zu belegen.
Verzahnungsabweichungen
Als Grundlage der Analyse dienen die Verzahnungsabweichungen, deren Messung und Auswertung Bild 2 zeigt. Die Flankenlinie wird auf einem festen Durchmesser als Linie oder – bei einer Schrägverzahnung – als Schraubenlinie erfasst, das Profil wird im Stirnschnitt der Verzahnung gemessen. Beide Messarten untersuchen die Form einzelner Zähne. Die Lage der Zähne zueinander und des Zahnrades zu einer Bezugsachse wird durch die Teilungs- und Rundlaufmessung untersucht. Die Bestimmung dieser Kenngrößen erfolgt im Stirnschnitt durch einmaliges Antasten aller Flanken.
Der linke Teil des Bildes 2 zeigt die übliche Darstellungsform der Abweichungen. Die Profilabweichungen werden als Kurve über dem Wälzweg aufgetragen, die Abweichungen der Flankenlinie über der Z-Höhe in Achsrichtung. Weisen das Profil oder die Flankenlinie keine Abweichungen auf, so ergibt sich eine senkrechte Linie. Die Form und Lage jeder Kurve wird durch Kennwerte beschrieben, die unter der Kurve eingetragen sind. Die Rundlauf- und Teilungsabweichungen der Verzahnung beschreiben als horizontale Kurven die Lage aller Zähne. Bedingt durch die Funktion des Zahnrades werden die Teilungsabweichungen für die rechte und linke Flanke getrennt betrachtet. Sie werden als Kurve der Summen- und der Einzelabweichung aufgetragen. Die Einzelabweichung beschreibt die Abweichung einer Zahnflanke zur jeweils nächsten Flanke. Die Summenabweichung ergibt sich durch Aufsummierung der Einzelabweichungen. Sie beschreibt den Drehfehler zwischen zwei Zähnen eines Zahnrades.
Abweichungsanalyse
Aufgabe ist es nun, aus den gemessenen Abweichungen sichere Korrekturwerte für die Fertigung zu ermitteln. Dieser Schritt ist aufgrund der vielfältigen Abweichungsursachen und der komplexen Zusammenhänge an einer Verzahnung auch heute noch problematisch. Vor diesem Hintergrund wurde ein neues Analyseprogramm entwickelt. Es basiert wesentlich auf der Fähigkeit einer schnellen und interaktiven Darstellung und Änderung von Verzahnungsabweichungen. Damit ist es möglich, verschiedene Ursachen und Einflüsse zu modellieren und Korrekturwerte zu berechnen.
In Bild 3 sind die Möglichkeiten der Lageänderung beschrieben. Eine Änderung der Lage der Verzahnung zur Bezugsachse lässt sich interaktiv durch einfaches Verändern der Lageparameter erreichen. Nach jeder Änderung werden nahezu in Echtzeit alle Abweichungen neu berechnet und dargestellt. Die Auswirkungen einer Parameteränderung können so sehr anschaulich verfolgt werden. Möglich ist die Verschiebung in X- und Y-Richtung und die Drehung um die X- oder Y-Achse. Alle anderen Freiheitsgrade sind an einer Verzahnung nicht relevant. Eine Änderung in 2 Dimensionen (z. B. in X- und in Y-Richtung) bis hin zum Optimum ist oft nicht einfach. Als Ergänzung ist daher zu jedem Änderungsparameter eine Ausgleichsrechnung vorgesehen. Der Bediener hat damit die Möglichkeit, die rechnerisch beste Lage einer Verzahnung zu ermitteln, aber auch interaktiv den Einfluss der Lageänderung zu untersuchen.
Als Beispiel für die Analyse eines Fertigungsprozesses ist in Bild 4 die Bearbeitung einer Verzahnung durch Formschleifen dargestellt. Eine radiale oder tangentiale Lageänderung des Schleifwerkzeuges erzeugt im Profil der Verzahnung eine gegensinnige oder gleichsinnige Verkippung der Abweichungskurven. In der Praxis überlagern sich beide Einflüsse, wobei die Empfindlichkeit von den Parametern der Verzahnung abhängt. Das Analyseprogramm erlaubt es, durch Änderung der Position des Werkzeuges direkt Korrekturwerte zu ermitteln. Lassen sich die Fehlereinflüsse eines Fertigungsprozesses nicht direkt modellieren, so ist es häufig möglich eine Korrektur über die Verzahnungsparameter durchzuführen. Diese einfache Korrektur wird z. B. in der Ur- und Umformtechnik oft angewendet. In Bild 5 sind die Möglichkeiten dieser Geometrieänderung dargestellt. Die Verzahnungsparameter Eingriffswinkel, Schrägungswinkel, Modul und Zahndicke können schrittweise geändert werden.
Darstellungsformen
Um auf die verschiedenen Fragestellungen einer Analyse optimale Antworten zu liefern beinhaltet das Analyseprogramm vielfältige grafische Darstellungsformen. Bild 6 zeigt oben die Standarddarstellung der Abweichungen als einzelne Kurven. Anhand der zugehörigen Kennwerte kann der Einfluss von Parameteränderungen quantitativ sehr gut bewertet werden. Für die visuelle Bewertung von Änderungen ist diese Darstellung weniger gut geeignet, da ein Bediener nicht alle Kurven gleichzeitig betrachten kann. Von Vorteil ist hier eine gemeinsame Darstellung der Abweichungskurven. Vor allem, wenn alle Kurven – wie im Bild 6 zu erkennen – eine systematische Abweichung aufweisen, wird die Betrachtung wesentlich vereinfacht. Eine weitere Erleichterung der Bewertung wird durch die vergleichende Darstellung erreicht. Durch die Fähigkeit, Zustände quasi „einzufrieren“ ist es möglich, die Originalkurven und die Veränderungen gleichzeitig verschiedenfarbig darzustellen. Auswirkungen von Änderungen können so sehr einfach nachvollzogen werden. Da jede dieser Darstellungsformen Vor- und Nachteile besitzt, kann der Bediener die Darstellungsform beliebig auswählen und wechseln.
Beispiel Passverzahnung
Einen Eindruck von den Möglichkeiten des Analyseprogrammes soll abschließend das Beispiel der Prüfung einer Passverzahnung geben. Im Gegensatz zu einer Laufverzahnung ist bei einer Passverzahnung das Maß der Zahndicke von entscheidender Bedeutung für die Funktion, da dieses Maß für die Paarung mit dem Gegenstück verantwortlich ist. Wie das Bild 7 zeigt, erfolgt die Prüfung der Verbaubarkeit mit einem formidealen Gegenstück, dem Lehrring, dessen Maß dem Grenzmaß effective entspricht. Um nicht zuviel Spiel in der Paarung zu erhalten, ist auch das Kleinstmaß begrenzt. Es wird durch das Maß über Kugeln oder Rollen ermittelt. Wie das Toleranzschaubild links oben zeigt, wird ein Teil dieser Toleranz für die Auswirkungen der Formabweichungen benötigt. Den verbleibenden Toleranzbereich actual kann die Fertigung nutzen.
Stellt sich – wie unten im Bild illustriert – bei der Prüfung heraus, dass der Lehrring sich nicht paaren läßt, die Kugelmaß-Prüfung aber ok ist, so kann natürlich das Maß verringert werden. Die Fertigungstoleranz wird dadurch allerdings eingeschränkt. Sinnvoll ist eine Formprüfung. Werden nach der Messung die Abweichungskurven betrachtet, so wird schnell deutlich, dass jetzt zwar eine Beurteilung der Form möglich ist, jedoch kein Bezug zur Maßprüfung existiert – alle Kurven sind völlig unabhängig von Maßabweichungen.
Hier gibt nun das Analyseprogramm die Möglichkeit Form- und Zahndickenabweichungen gemeinsam darzustellen. Wie Bild 8 zeigt, sind die Messkurven um die Zahndickenabweichung von der Bezugslinie verschoben. Deutlich wird, dass im Profil und in der Teilung ausreichend Spiel vorhanden ist, in der Flankenlinie auf der rechten Flanke allerdings Aufmaß auftritt, dass die Paarung verhindert. Die wirksame Formabweichung ist größer als in der Toleranzrechnung berücksichtigt. Das positive Ergebnis der Kugelmaßprüfung ist plausibel, da die Kugeln in gleicher Weise wie die Punkte der Teilungsmessung nicht im Bereich des Aufmaßes anliegen. Das Analyseprogramm erlaubt erstmalig an Verzahnungen die gemeinsame Beurteilung von Form- und Maßabweichungen. Von großer Bedeutung ist dies für die Paarungsprüfung aber auch für die Beurteilung der Nachbearbeitbarkeit in mehrstufigen Fertigungsprozessen.
Zusammenfassung
Das vorgestellte Analyseprogramm ermöglicht es dem Bediener, Zusammenhänge zu verstehen, Fehlereinflüsse abzuschätzen und Fehlerursachen zu ermitteln. Dazu besitzt es als besondere Eigenschaften die Fähigkeit der schnellen und interaktiven Änderung von Parametern und sehr vielfältige grafische Darstellungsformen. Die wesentlichste Eigenschaft ist allerdings die, dass die Ausgabe in der Form erfolgt, die dem Benutzer vertraut ist, in der Form eines Messergebnisses. Der Schwerpunkt der weiteren Entwicklung liegt in der Ausgleichsrechnung für alle veränderbaren Abweichungsparameter. Damit lassen sich schnell Korrekturwerte für die Fertigung ermitteln. Außerdem wird das Spektrum der Anwendungen durch Modellierung weiterer Fehlereinflüsse erweitert werden.
Weitere Informationen A QE 600
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de