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Statistik heute und morgen

Statistische Methoden im Prozess
Statistik heute und morgen

Aufgrund der harten Wettbewerbssituation fordert der Markt heute mehr denn je höchste Qualitätsansprüche, die Einhaltung vereinbarter Liefertermine und schnelle Reaktion auf Änderungen sowie Neuerungen. Dies alles unter dem Aspekt harter Preisverhandlungen bis hin zu Preisdiktaten. Solchen Ansprüchen kann ein Lieferant nur gerecht werden, wenn er „Seine Fertigung im Griff“ hat. Oder anders ausgedrückt, er muß im Produktionsbereich seine verwendeten Systeme: Mess- und Prüfmittel, Maschinen und Fertigungseinrichtungen sowie die gesamte laufende Produktion genau kennen um ständig Auskunft über die Qualität der gefertigten Teile, Komponenten und Produkte geben zu können.

Dr. Edgar Dietrich, Q-DAS GmbH, Birkenau

Die Grundlagen, um diese Herausforderung bewältigen zu können, ist die Qualifikation der eingesetzten Systeme sowie die kontinuierliche Prozessbeurteilung und -regelung. Die hierfür erforderlichen Eignungsnachweise basieren heute alle auf statistischen Methoden, die in den Normen DIN EN ISO 9000 und ISO/TS 16949 (IATF, International Automotive Task Force) sowie Verbandsrichtlinien wie QS-9000 (AIAG, USA) und VDA 6.1 (VDA, Deutschland) festgelegt sind.
Um Kundenforderungen und Kundenzufriedenheit beurteilen zu können, zieht sich bei der ISO 9000:2000 das Thema „Messen, Analysieren und Verbessern„ wie ein roter Faden durch die neue Norm.
6-Sigma und ISO/TR 10017
Das Schlagwort 6-Sigma ist mittlerweile in aller Munde (s.a. Beitrag in QE 6/00 „Driving World-Class Performance„). Deutlich ist ein Trend zur Rückkehr zu Zahlen, Daten und Fakten (ZDF) zu erkennen. Die statistischen Verfahren und Qualitätswerkzeuge erlangen einen neuen Stellenwert. In den einzelnen Phasen im Rahmen von 6-Sigma Projekten kommen folgende Werkzeuge zum Einsatz:
Definition:Projektzielfestlegungl Prozess Plan / Prozess-Fluss-Diagramml Ursache Wirkungs Matrix
Messen:Prozess-Fluss-Diagramml Ursache-Wirkungs-Diagramml FMEAl Prozessfähigkeitl Messmittelfähigkeitenl Grafische Techniken*
Analyse:
Prozess-Fluss-Diagramml Grafische Techniken*l Multivarianzanalysenl Hypothesentestsl Korrelation & Regression
Verbessern:
Prozess-Fluss-Diagramml Design of Experiments (DOE)l Simulationl Optimierung
Regeln:
Kontrollplan (PKP)l Statistische Prozess Regelung (SPC)l Lehren Kontroll Planl Vorbeugende Instandhaltungl Poka Yoke / Mistake Proofing
* Zu den grafischen Techniken zählen in erster Linie: Histogramm, Wahrscheinlichkeitsnetz, Qualitätsregelkarten, Box-Plot und Pareto-Diagramm.
Gerade der neue Technical Report der ISO 10017 beschreibt sehr schön die typischen statistischen Verfahren und die Einsatzmöglichkeiten. In Form einer übersichtlichen Tabelle werden diese den jeweiligen Abschnitten der ISO 9000 ff zugeordnet.
Eignungsnachweis von Messsystemen
Ein von einem Messmittel angezeigter Wert entspricht in der Regel nicht dem richtigen Wert. Dabei handelt es sich um einen Schätzwert, der möglichst in der Nähe des richtigen Wertes liegt. Das heißt, die angezeigten Messwerte streuen um den richtigen Wert. Der Grund hierfür liegt in der Vielzahl der Einflussfaktoren, so hängt ein Messergebnis nicht alleine von dem Messgerät selbst, sondern von der Umgebung, den Bedienern, der Messmethodik, dem Prüfobjekt usw. ab. Damit stellt sich die Frage, „Unter welchen Bedingungen ist ein ausgewähltes Messverfahren geeignet“ oder „Muss es durch ein anderes Messverfahren ersetzt werden?“
Diese Fragestellung wird heute üblicherweise durch die sogenannte Messunsicherheit beantwortet bzw. die Eignung durch eine sogenannte Messsystemfähigkeit nachgewiesen. Die DIN EN V 13005 „Anleitung zur Bestimmung der Messunsicherheit“ legt für das jeweilige Messverfahren fest, wie die Größe der Messunsicherheit bestimmt werden kann. In der DIN EN ISO 14253 ist definiert, wie mit der Messunsicherheit im Verhältnis zur Spezifikation umgegangen werden muß.
Der VDA wird zu diesem Thema noch in diesem Jahr einen neuen Band mit dem Titel VDA5 „Prüfprozesseignung„ herausgeben.
Die Ermittlung der Messunsicherheit ist in der Regel sehr aufwendig und kann vom Praktiker im jeweiligen Anwendungsfall nicht so ohne weiteres beantwortet werden. Daher haben sich in der Automobilindustrie seit über zehn Jahren sogenannte Fähigkeitsuntersuchungen für Messsysteme eingebürgert. Die Vorgehensweise ist beispielsweise in dem Reference Manual der QS-9000 „Measurement System Analysis“ beschrieben. Ähnliche Vorgehensweisen werden sowohl von der Normungsseite als auch von anderen Zertifizierungssystemen gefordert. Da zu diesem Thema keine Norm vorliegt und das Reference Manual bei der Handhabung dieser Methodik einige Fragen offen lässt, haben Großkonzerne ihre eigenen Richtlinien herausgegeben.
Typische Beispiele hierfür sind Ford, GM, DaimlerChrysler, Robert Bosch, Volkswagen usw. Da diese Richtlinien unabhängig voneinander in den jeweiligen Unternehmen entstanden sind, können diese zwangsläufig nicht einheitlich sein. Daher wurde im Rahmen eines Arbeitskreises auf freiwilliger Basis ein Leitfaden zum „Fähigkeitsnachweis von Messsystemen“ erstellt. An diesem Leitfaden haben mitgearbeitet: Audi AG, BMW AG, Robert Bosch GmbH, DaimlerChrysler AG, Fiat Auto S.p.A., Ford-Werke AG, Adam Opel AG, Q-DAS GmbH, TQM Itaca s.r.l., Volkswagen AG.
Maschinenabnahme und Prozessqualifikation
Die eingesetzten Maschinen und Fertigungseinrichtungen müssen in der Lage sein, die Produkte in der geforderten Qualität herstellen zu können. Daher erfolgt eine Abnahme der Maschine im Falle einer Neubeschaffung sowohl beim Lieferanten als auch am späteren Aufstellungsort beim Kunden. Die gleiche Vorgehensweise erfolgt bei einem Produktneuanlauf bzw. Produktänderungen an vorhandenen Maschinen und Fertigungseinrichtungen. Für den Eignungsnachweis bzw. die Qualifikation wird eine sogenannte „Maschinenfähigkeitsuntersuchung“ bzw. „Vorläufige Prozessfähigkeitsuntersuchung“ durchgeführt. Dabei werden eine vorgegebene Anzahl von Teilen unter möglichst realen Bedingungen produziert. Die Teile werden vermessen und die Messdaten statistisch ausgewertet. Die daraus gewonnenen Kennzahlen und grafischen Darstellungen sind die Grundlage des Eignungsnachweises. Eine Maschine bzw. Fertigungseinrichtung darf nur dann eingesetzt werden, wenn bestimmte Grenzwerte eingehalten werden.
Basierend auf diesem Vorlauf werden Eingriffsgrenzen für eine Qualitätsregelkarte berechnet. Diese sind die Vorgaben für die anschließende kontinuierliche Prozessüberwachung. In dieser Phase spricht man von SPC Statistical Process Control. Dazu werden in vorgegebenen Zeitintervallen dem Prozess in Form von Stichproben Teile entnommen und vermessen. Basierend auf den Stichprobenkennwerten Mittelwert und Standardabweichung wird die Prozesslage und die Prozessstreuung in der Qualitätsregelkarte verfolgt. Zeigt die Qualitätsregelkarte Instabilitäten, ist in den Prozess einzugreifen. Die gewonnenen Daten können über längere Zeiträume gespeichert werden. Basierend auf diesen Daten wird zu vorgegebenen Zeiträumen eine sogenannte „Fortdauernde Prozessbeurteilung“ durchgeführt. Typische Zeiträume können sein: Schicht, Tage, Wochen oder Monate. Andere Auswertungen gehen über: Charge, Teil, Merkmal, Maschine usw.
Folgende Normen und Richtlinien fordern den Einsatz statistischer Verfahren zur Qualifikation von Maschinen und Fertigungseinrichtungen QS-9000 / Reference Manual SPC (AIAG, USA), VDA 4.1 (VDA, Deutschland), ISO / TC 69 Fähigkeitskenngrößen (Entwurf), VDMA 8669 Abnahme von Werkzeugmaschinen, ISO/FDIS 11462-1 (Guidelines for implementation of statistical process control (SPC) – Part1: Elements of SPC). Neben diesen allgemeinen Dokumenten gibt es mehrere Firmenrichtlinien, die die Abnahmemodalitäten firmenspezifisch genau regeln.
Prozessvisualisierung
Um eine laufende Fertigung transparent darstellen zu können, gibt es unterschiedliche Stufen der Visualisierung. So kann bereits auf der Werker-Ebene anhand eines SPC-Systems die Qualität einzelner Merkmale fertigungsnah dargestellt werden. Um sich einen Gesamtüberblick über einen Fertigungsbereich zu verschaffen, ist es erforderlich, die Daten zentral zusammenzuführen und zu speichern. Hierfür ist es unumgänglich, dass ein einheitliches Datenformat zum Tragen kommt. Innerhalb der Automobilindustrie hat man sich mittlerweile nahezu weltweit auf das ASCII Transferformat der Fa. Q-DAS verständigt. Die meisten Firmen fordern heute bei der Neubeschaffung von Mess- bzw. SPC-Systemen die Einhaltung und Zertifizierung dieses Datenformates. Mit Hilfe eines Monitoring-Systems kann der zentrale Datenbestand visualisiert werden. Das Überwachungssystem stellt in der Regel die letzten Messwerte in unterschiedlicher Form (Grafiken bzw. Kennwerte) dar. Bei neu hinzukommenden Werten wird die Visualisierung automatisch aktualisiert. Je nach Anzahl der Teile und Merkmale sind unterschiedliche Verdichtungsgrade notwendig. Diese reichen von Detaildarstellungen wie Einzelwertverläufen oder Qualitätsregelkarten bis zu einer reinen Ampelfunktion, bei der bei Einhaltung bzw. Verletzung der statistischen Regel durch ein grün bzw. rot markiertes Feld signalisiert wird. Werden die zentral zusammengeführten Daten strukturiert in einer Datenbank gespeichert, können nach unterschiedlichen Kriterien Auswertungen gefahren werden. Typische Berichte sind Schicht- bzw. Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresberichte über bestimmte Teile oder Merkmale. Selbstverständlich sind auch andere Selektionskriterien wie eine Auswahl nach Bedienern, Maschinen, Nestern, usw. sinnvoll. Die Art der gewünschten Auswertungen ist aufgabenbezogen festzulegen und regelmäßig durchzuführen. Damit liegt eine klare Trennung zwischen einer Online-Visualisierung mit kurzer Reaktionszeit und andererseits über eine sogenannte Offline-Auswertung über längere Zeiträume vor. Zusammen mit den Umfelddaten können mit diesem System bei Prozessveränderungen Ursachen festgestellt und Maßnahmen eingeleitet werden.
Ausblick
Wenn man in der Vergangenheit unter statistischen Methoden im Fertigungsbereich in erster Linie „SPC“ verstanden hat, wird der Einsatz dieser Verfahren heute immer umfassender gesehen und für den Eignungsnachweis der verschiedenen Systeme, angefangen von den Messmitteln über die Maschinen und Fertigungseinrichtungen bis zur Beurteilung des Gesamtprozesses herangezogen. Es sind klare Tendenzen für die Vereinheitlichung der Verfahren festzustellen. Entweder gibt es bereits Absprachen und Verständigungen zwischen den Firmen, bzw. sind Normen in der Vorbereitung. Zum Schluß bleibt die Frage „Was hat sich geändert und wohin geht der Weg?„. Eins ist eindeutig: „Die Statistik hat und wird sich nicht ändern„. Das Rad, gleichgültig unter welchem Deckmantel es sich verbirgt, wird Gott sei Dank nicht mehr neu erfunden. Trotzdem hat sich bei der Anwendung vieles geändert. So wird der Einsatz dieser Verfahren im Rahmen der Zertifizierung mehr gefordert als in der Vergangenheit. Zwangsläufig sind Schulungsmaßnahmen erforderlich, um die Umsetzung in den Unternehmen voranzutreiben. Vor allem der Rechnereinsatz hat die Anwendung der statistischen Verfahren in mehrere Richtungen verändert:
– Auswertungen von großen Datenmengen sind möglich
– Speicherung und Selektion der Daten nach unterschiedlichen Kriterien
– Echtzeit-Visualisierung der Daten und der statistischen Ergebnisse
– Überwachung von Prozessen im Hintergrund
– Automatische Auswertung der Daten
– Funktions- und anwendergerechte Darstellung der Daten
– Gütekriterien wurden entwickelt, um reale Sachverhalte mathematisch modellhaft genauer beschreiben zu können.
Der Trend zur Automatisierung wird weitergehen. Die Vision ist: „Den Ablauf Messwerterfassung, Speicherung, Visualisierung und Auswertung vollkommen zu automatisieren„. Gleichzeitig wird dieser Vorgang nach vorgegebenen Kriterien im Hintergrund überwacht und bei Abweichungen der zuständige Anwender informiert. Die Steigerung ist, diese Vision abteilungs- und werksübergreifend global konzernweit umzusetzen.
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