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Transforming the face of Quality

ASQ Kongress in Milwaukee
Transforming the face of Quality

Beim World Congress on Quality and Improvement in Milwaukee feierte die American Society for Quality (ASQ) ihren 60. Geburtstag. Branchenübergreifende Vernetzung und Internationalisierung werden konsequent vorangetrieben. Qualität als gesellschaftliche Dimension rückt mehr denn je in den Vordergrund.

Birgit Otto, BSc M.A. BO Consult Ostfildern

„Führung bedeutet für mich nicht Macht und Kontrolle“ gab Schwester Mary Jean Ryan, Direktorin von SSM Health Care, eines mit dem Malcolm Baldrige Award ausgezeichneten, amerikanischen Krankenhausverbunds, den etwa 3000 Teilnehmern des diesjährigen World Congress for Quality and Improvement der American Society for Quality (ASQ) vom 1. bis 3. Mai 2006 im Midwest Airlines Center in Milwaukee, USA, zu verstehen. „Für mich heißt Führung, Verantwortung für meine Arbeit zu übernehmen und sie mit Würde auszuführen.“ Als erste Rednerin schlug sie damit gleich einen Ton an, der in den darauf folgenden Tagen in Varianten immer wieder anklingen sollte: Das Streben nach Qualität ist im Kern eine persönliche Entscheidung, die zu verbindlichem Verhalten auf zwischenmenschlicher, organisatorischer und gesellschaftlicher Ebene führt.
Experiental Quality bei Harley-Davidson
Auch wenn der Key Note Speaker des zweiten Tages nicht weiter entfernt von der Welt der katholischen Schwestern sein konnte als Harley-Davidson Chef James McCaslin, so atmete sein Bericht über die Wiedergeburt der amerikanischen Bikerlegende nach der Übernahme des bankrotten Unternehmens durch 13 Angestellte im Jahr 1980 doch denselben Geist: Nur durch kompromisslose Hingabe für Qualität wurde aus den als fahrende Öllachen verspotteten Zweirädern in den vergangenen zwanzig Jahren wieder jene Marke, die sich überzeugte Kunden sogar „an den unterschiedlichsten Körperteilen“ – so McCaslin verschmitzt- tätowieren ließen. Es ist konsequent, wenn die Mission von Harley Davidson ganz emotional definiert: „Wir erfüllen Träume durch das Erlebnis des Motorradfahrens.“ Das Qualitätsprogramm, auf dem die kontinuierliche Verbesserung fußt, umschrieb er mit „Experiental Quality“ – erlebbare Qualität, welche eine dynamische Integration von Nachdenken, Handeln und Fühlen für alle Beteiligten darstelle.
Gemeinsame, emotionale Erfahrung durch den Theme Weaver
Die emotionale, individuelle Komponente von Arbeit mit und für Qualität hervorzuheben, wurde auch im neuen Format des dreitägigen Kongresses sichtbar: Der so genannte „theme weaver“ (Themenweber) umrahmte den Kongress. Er hielt Ausschau nach individuellen Geschichten und Motivation der Teilnehmer und knüpfte daraus eine Geschichte, die er mit dem Plenum teilte und in die so alle Teilnehmer eingewoben wurden. Eine gute Idee- leider fehlte Karen Vernal das Temperament, um als Theme Weaver wirklich zu begeistern.
TRIZCON und TEAM AWARD
60 Jahre nach ihrer Gründung ist die American Society for Quality (ASQ) neu aufgestellt: Sie ist nicht mehr nur die Heimat so bekannter Qualitätsgurus wie Deming, Crosby, Juran oder Feigenbaum und verbunden mit den großen Namen der US-Industrie, sondern versteht sich sowohl als Anwalt der Qualitätsmanagementfachleute als auch des Qualitätswesens mit seiner gesellschaftlichen Auswirkung.
Als Interessensgemeinschaft für Qualität bietet die ASQ heute eine Vielzahl von Netzwerken für ihre Mitglieder. Sie ist weltweit mit zahlreichen anderen Vereinigungen verzahnt, unterhält mit anderen Verbänden das World Partner Programme, verwaltet den Malcolm Baldrige Award (USA) und engagiert sich aktiv in gesellschaftlichen Debatten. Diese Vielfalt zeigte sich auch beim WCQI. Das Angebot ist noch vielseitiger geworden: Parallel zur ASQ-Veranstaltung fand die TRIZCON 2006, die achte TRIZ Jahreskonferenz des Altschuller Institutes statt, zu der WCQI-Teilnehmer freien Zutritt hatten. Viele nutzten die Gelegenheit, sich mit den TRIZ Prinzipien für Innovation vertraut zu machen.
Schon zum wiederholten Male fand die Endausscheidung des International Team Excellence Award statt. 27 Teams präsentierten in öffentlichen Sitzungen die Ergebnisse einer Verbesserung. Auch hier wurde deutlich: Qualität überschreitet alle Branchen und Landesgrenzen. Etwa die Hälfte der teilnehmenden Teams kam aus den USA, die andere Hälfte aus Japan, Korea, Mexiko, Singapore und Indien. Bei den Ausländern waren staatliche Einrichtungen stark vertreten. Schwach vertreten war die Dienstleistungsbranche. Bei der Industrie dominierten die üblichen Verdächtigen: Luftfahrt-, Automobil-, Strom- und Pharmaindustrie. Schon der Einmarsch der Teams in die Halle am letzten Konferenztag mit Musik, Konfetti, Bonbons, bunten Hüten und Standing Ovation der Kongressteilnehmer glich einer Parade.
Drei Preise wurden vergeben: Gold ging an das Team des indischen Öl- und Chemieriesen Reliance Industries Ltd. Aus Hazira für deutlichen Kosteneinsparungen bei der Polyesterherstellung. Silber erhielt ein Boing C-17 Team aus Long Beach in Kalifornien für die Visualisierung einer Lieferkette vom Eingang bis zum Einsatz und Bronze ging an Siemens VDO in Guadalajara, Mexico, für Qualitätsverbesserung in der Nutzfahrzeugproduktion durch Six Sigma.
Vernetzung durch persönliche Kontakte
Bei der WCQI wurde besonderen Wert auf „Networking“ gelegt. Schon am Vorabend zur Konferenz lud die ASQ in das Historische Museum von Milwaukee ein, wo Buffets, Bars und Buddys zwischen den Dioramen aus dem Wilden Westen zu entdecken waren. Auch die über 60 parallelen Vorträge und Seminare in den darauf folgenden drei Tagen wurden durch Networking Sessions verknüpft. So mancher Teilnehmer fragte sich da, wann er denn das Box Lunch eigentlich essen könne, das er sich zwischen all den Ereignissen in der Ausstellungshalle vom Stapel nahm? Die wirklich interessanten Kontakte wurden jedoch abends geknüpft, wenn die einzelnen ASQ-Divisionen in die Hotelsuiten einluden.
Vernetzung durch Kooperation
Es scheint, als öffne sich die Wagenburg, in die sich die USA nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 vor der Welt flüchtete, allmählich wieder. Vielleicht tat auch der Tagungsort, Milwaukee, Wisconsin, ein Übriges. Die Stadt am Lake Michigan, berühmt als Käse-, Bier-, Polka- und Festivalstadt, ist auch heute noch stark von internationalen, besonders europäischen Wurzeln geprägt.
In jedem Fall ist man sich auch in der amerikanischen Quality Welt bewusst geworden, dass die Musik global spielt und man besser mit dabei ist, als außen vor. Beim Jahrestreffen der internationalen Mitglieder wurde ein weiterer Teil der ASQ-Vereinsstrategie sehr deutlich: Internationalisierung. Das 2000 begonnene WorldPartner Programme konnte die Türkische Qualitätsgesellschaft Kalder als neuesten Partner begrüßen. Man hätte sich auch gerne mit der EOQ verbündet, so Hakan Kilicioglu von KALDER, aber angesichts der zögerlichen Haltung der europäischen Kollegen, vernetze man sich nun anderweitig international – im Westen mit der ASQ und im Osten mit MEQA.
MEQA gegründet
Unter dem klingenden Namen „MEQA“ wurde durch die aktive Unterstützung durch die ASQ in diesem Jahr die „Middle East Quality Association“ gegründet, ein Verband von Qualitätsvereinigungen der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabiens, Bahreins, Jordaniens, des Libanon, Iran, Pakistan, Türkei, Libyen, Ägypten, Malaysia und Bangladesh. MEQA versteht sich als Verbindungsstück in einem Puzzle von einzelnen Qualitätsinitiativen, die durch die Verbindung untereinander Synergien entwickeln können.
Schon 1985 wurde die APQO, die „Asia Pacific Quality Organization“ gegründet, in der interessanterweise die ASQ und die mexikanische Gesellschaft für Qualitätssicherung aktive Mitglieder sind, europäische Vereinigungen aber ebenso fehlen wie in MEQA. APQO bietet Organisationen, die einen Qualitätspreis ihres Landes gewonnen haben, die Teilnahme am International Asia Pacific Quality Award an (www.apqo.org.)
ISO 207 – Social Responsibility
Eine weitere interessante Komponente, die in gewisser Weise mit der persönlichen Verantwortung für Qualität verknüpft ist, die sich wie ein roter Faden durch die Konferenz zog, ist das Erscheinen von Social Responsibility auf dem Tagungsprogramm. Eine durch die ASQ kommissionierte Harris Poll Umfrage unter Fortune 500 Unternehmen ergab, dass 96% ihrer Führungskräfte glauben, ihr gesellschaftliches Verhalten habe in der Zukunft einen großen Einfluss auf ihren Geschäftserfolg. Über 40% von ihnen haben aber keinen Plan, wie sie das Thema in ihrem Unternehmen systematisieren können. Und das, obwohl zwei Drittel der Befragten auch der Meinung waren, dass SR direkt auf das Markenimage schlage – positiv wie negativ.
Gemeinsam mit der ANSI, dem American National Standards Institute, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die bis 2008 einen Standard für Social Responsibility ausarbeiten soll. Noch werden Mitstreiter gesucht. Es scheint für die amerikanischen Teilnehmer auch eine sehr gute Erfahrung mit internationalen, mehrsprachigen, multikulturellen Teams zu sein. Die amerikanischen Vertreter schienen bei ihrem ersten Bericht im Rahmen der WCQI etwas geplättet von der Komplexität internationaler Zusammenarbeit – aber vielleicht ist das ja ein guter erster Schritt aus der Wagenburg hin zu Vielfalt und damit verbundenen positiven Erfahrungen. Weniger ermutigend war, dass die Vorsitzende der USTAG für ISO 207 (CSR), Dorothy Bowers, nicht nur noch nie davon gehört hat, dass das europäische Excellence Modell ein Kriterium 8 „Gesellschaftliche Verantwortung“ besitzt, sondern auch kein großes Interesse zeigte, sich des Themas anzunehmen. Hoffentlich wird hier nicht wieder einmal das Rad neu erfunden!
Tipps für die Praxis
Neben all den Grundsatzdiskussionen über das künftige Gesicht der Qualität – es wird persönlicher, verantwortlicher, aber steht und fällt noch immer mit dem Kopf der Organisation- gab es bei der begleitenden Ausstellung auch ganz praktische Anregungen für die Umsetzung von Q-Ideen. So haben Jodi Wszolek, Quality Managerin der Druckerei Serviscreen, und ihre Kollegen ein Set von wieder beschreibbaren „Cling-on“ oder magnetischen Vorlagen für das Value Stream Mapping (Darstellung der Wertschöpfungskette im Rahmen von LEAN) entwickelt. „Wir wollten einfach etwas haben, das wir in die Produktion mitnehmen konnten und mit den Jungs vor Ort beschreiben. Papier oder Haftetiketten sind einfach zu lappig. Die weißen Magnete und die selbsthaftende durchsichte Folie sind ideal. Sie können immer wieder mit abwischbaren Stiften beschrieben werden, sind also wieder verwendbar.“ Man habe sich kurzerhand entschlossen, das Set beim WCQI vorzustellen und das Interesse potentieller Abnehmer sei groß.
Auch Visual Workplace LLC stellt klar: „Your are not lean – if you don’t get visual“ und stellt für eine monatliche Leihgebühr von 99$ Alles zur Verfügung, was man benötigt, um eine Fabrik zu visualisieren: Software mit vorgefertigten Texten, Drucker für verschiedene Folien, versiegelbares Klebeband für die Bodenmarkierung und ein Buch mit über 600 Best Practice für die schlanke Fabrik.
LEAN ist immer noch auf dem Vormarsch, ein ASQ Forum erarbeitet zurzeit die Grundlagen (Body of Knowledge) für eine Zertifizierung. Six Sigma hat sich etabliert, aber den Reiz des Neuen verloren. Qualität in Zahlen (Verbindung zu Controlling) und als Thema für die Führungsetage (Gesellschaftliche Verantwortung, Qualität als eine persönliche Haltung) werden konsequent vorangetrieben. So hat die ASQ in diesem Jahr zum ersten Mal während des WCQI Unternehmenslenker zu einem Runden Tisch eingeladen.
Der Kongress machte es wieder deutlich: Die ASQ löst sich konsequent von ihrer industriellen Vergangenheit und aus ihrer nationalen Verankerung. Hinter vorgehaltener Hand (und nach ein paar Drinks in der Hospitality Suite) wurde gemunkelt, man erwäge sogar, das „American“ aus dem Vereinsnamen zu streichen – aber bis dahin ist es dann doch noch ein etwas weiterer Weg.
Der nächste WCQI findet vom 30.4 bis 2.5.2007 in Orlando, Florida, statt und steht unter dem Motto “Fueling innovation“. Themenschwerpunkte sind Change Management, Social Responsibility, Virtual Society, Systems Thinking und Customer Value. Vielleicht wagen ja im nächsten Jahr wieder mehr Deutsche den Sprung über den Teich und in die internationale „world of quality“.
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