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Wirtschaftlich messen

Genauigkeitsauswahl von KMG nach Kosten mit Hilfe von Messunsicherheitsberechnungen
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Die Messgenauigkeit von Koordinatenmessgeräten (KMG) wird hauptsächlich von der Genauigkeit des KMG selbst, der Temperatur und der Antastung der Werkstückoberfläche bestimmt. Für wirtschaftlich optimale Messungen sollten diese drei Einflüsse in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Zur Ermittlung der einzelnen Unsicherheitsbeiträge kann das Berechnungsverfahren herangezogen werden (vergl. QE Heft 9/2006, S. 20–22). Das Vorgehen wird am Beispiel eines Bohrungsabstandes demonstriert.

Dr.-Ing. Michael Hernla, Dortmund

Ein Unternehmen produziert Zulieferteile mit dem kritischen Bohrungsabstand 100 ± 0,005. Der Kunde fordert den Nachweis der Prüfprozesseignung nach VDA Band 5 mit der Forderung
Für die Toleranz T=10 µm des Prüfmerkmals darf die erweiterte Messunsicherheit U also nicht größer als 2 µm werden (Vertrauensniveau 95%). Für das kritische Merkmal soll ein Koordinatenmessgerät beschafft und in einem Messraum der passenden Güteklasse nach VDI/VDE 2627 Blatt 1 aufgestellt werden.
Vorgehen
Zunächst wird das allgemeine mathematische Modell der Messaufgabe formuliert. Es ist in der Tabelle (Seite 23) in vereinfachter Form angegeben. Dann sind die Unsicherheitsbeiträge der einzelnen Einflussgrößen für verschiedene mögliche Messbedingungen zu ermitteln. Dabei werden z.B. die Temperaturbedingungen, die Genauigkeit des KMG und die Messpunktanzahl bei den Kreismessungen variiert, bis ein Optimum gefunden ist. Dieses wird wesentlich von den Kosten beeinflusst, die die jeweiligen Messbedingungen verursachen. Es ist also abzuwägen, ob mehr Aufwand in die Genauigkeit des Messgerätes selbst oder in die Umgebungsbedingungen investiert wird – je nachdem, wo der Genauigkeitsgewinn größer ist.
Beispiel Bohrungsabstand
Die Genauigkeit des KMG wird durch den Grenzwert der Längenmessabweichung in der Form MPEE=(A+L/K) spezifiziert. Mit dem längenabhängigen Anteil L/K lassen sich die Geometrieabweichungen DLKMG nach oben abschätzen, wenn für L das Nennmaß des Bohrungsabstandes eingesetzt wird. Um die oben genannte Forderung zu erfüllen, sollte nicht mehr als die Hälfte der Messunsicherheit vom KMG ausgenutzt werden, d.h. der Unsicherheitsbeitrag sollte nicht größer als ui(y)=0,5 µm werden. Diesen Wert erhält man, wenn im Nenner des längenabhängigen Anteils der Faktor K=100 ist, siehe Tabelle. Anhand dieses Wertes sollte das KMG ausgesucht werden.
Den Messraum-Güteklassen nach VDI/VDE 2627 Blatt 1 sind Temperaturklassen zugeordnet. In der Güteklasse 3 (Standardmessraum) dürfen die räumlichen Temperaturunterschiede z.B. nicht größer als 0,5 K, die zeitlichen nicht größer als 2 K innerhalb einer Woche sein. Mit dem kleineren Wert ergibt sich ein Unsicherheitsbeitrag für die temperaturbedingte Längenmessabweichung DLT von ui(y)=0,5 µm (Tabelle), wenn das Werkstück und die Maßstäbe des KMG aus Stahl sind. Das setzt aber voraus, dass die Temperaturen von Maßstab und Werkstück erfaßt werden, und dass die gemessene Länge rechnerisch auf die Bezugstemperatur 20°C korrigiert wird.
Schließlich sind noch die Unsicherheitsbeiträge für die Kreismessungen zu bestimmen. Dazu wird der konstante Anteil A aus dem Grenzwert MPEE der Längenmessabweichung herangezogen. Er gilt aber nur für die Messung am Endmaß bei der Annahmeprüfung nach DIN EN ISO 10360–2, wenn auf jeder Messfläche genau ein Punkt angetastet wird. Bei praktischen Messungen werden aber in der Regel mehr Punkte n gemessen, und durch die Mittelwertbildung verringert sich die Messunsicherheit deutlich. Die Standardabweichung am Ausgleichskreis beträgt dann mindestens s=A/3 und der Unsicherheitsbeitrag für beide Mittelpunktkoordinaten X1 und X2 jeweils ui(y)=s*(2/n)0,5.
Ist für das ausgewählte KMG der konstante Anteil z.B. A=10 µm, so müssen beide Kreise mit jeweils 100 Punkten gemessen werden, damit ihre Unsicherheitsbeiträge nicht größer als ui(y)=0,5 µm werden (Tabelle). Ist z.B. A=5 µm, genügen schon 20 Punkte.
Diskussion
Bemerkenswert und für die betriebliche Praxis interessant ist der Umstand, dass die erweiterte Messunsicherheit U=2 µm in der Tabelle deutlich kleiner als der Grenzwert der Längenmessabweichung des KMG mit MPEE=(10+L/100) µm ist. Für L=100 ergibt sich hier 11 µm. Nach der klassischen Betrachtungsweise müsste z.B. ein KMG mit dem Grenzwert MPEE=(1,5+L/200) µm beschafft werden, das entsprechend viel teurer ist.
Durch die Mittelwertbildung über viele Messpunkte kann mit Koordinatenmessgeräten viel genauer gemessen werden, als allein anhand des Grenzwertes MPEE zu vermuten wäre. Das bedeutet aber auch, dass häufig zuviel Geld in die Genauigkeit des KMG investiert wird, ohne die wesentlichen Unsicherheitsbeiträge aus der Temperatur zu beachten. Die Kosten sollten in einem ähnlichen Verhältnis zueinander stehen wie die Unsicherheitsbeiträge.
dr. hernla, Dortmund
QE 504
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