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Zaubersensor analysiert Pulver in Echtzeit

Quantentechnologie
Zaubertechnik analysiert Pulver in Echtzeit

Die Quantenphysik könnte der Messtechnik neue Möglichkeiten eröffnen. Die Trumpf-Tochter Q.ant will diese gemeinsam mit Sick erschließen. Eine konkrete Anwendung ist die Inline-Qualitätskontrolle von Kaffee.

» Markus Strehlitz

Wer sich schon mal mit Quantenphysik beschäftigt hat, weiß, dass diese kaum mit den eigenen Alltagserfahrungen in Einklang zu bringen ist. In der Quantenwelt läuft nichts so wie in der, die wir kennen. Teilchen können gleichzeitig verschiedene Zustände einnehmen oder sich zur selben Zeit an unterschiedlichen Orten befinden.

Für die Sensorik eröffnet die Quantenphysik jedoch neue Möglichkeiten. Die Empfindlichkeit von Quantenzuständen und -systemen ist zwar eine Hürde für die Entwicklung praxistauglicher Technik wie etwa Quantencomputern. Wenn es aber darum geht, etwas zu messen, ist diese besondere Sensibilität sehr hilfreich. Mit Hilfe von Quantenphänomenen wie Kohärenz, Superposition und Verschränkung lassen sich physikalische Größen wie zum Beispiel Druck, Temperatur und Geschwindigkeit besonders genau nachweisen – beziehungsweise Messungen durchführen, die bisher noch nicht möglich waren.

„Quantentechnologie ist die nächste Stufe für die Sensorik, denn sie verschiebt bisher fest verankerte technische Grenzen“, sagt Niels Syassen, Senior Vice President für Forschung und Entwicklung beim Sensorspezialisten Sick. „Wo bislang keine guten Signale mehr messbar waren, lassen sich im Signalrauschen mittels Quanteneffekten sogar Details wahrnehmbar machen. Damit lassen sich Partikel messen, die rund zweihundert Mal kleiner sind als ein menschliches Haar.“

Sensor erkennt Größe, Position und Geschwindigkeit eines Partikels

Gemeinsam mit dem Unternehmen Q.ant will Sick das besondere Potenzial der Quanteneffekte für die Messtechnik nutzen. Q.ant wurde 2018 gegründet und ist ein Tochterunternehmen des Maschinenbauers Trumpf. Das Startup setzt auf die Ressource Licht. So arbeiten die dortigen Spezialisten zum Beispiel an Systemen, bei denen ein Laserstrahl durch ein Medium wie zum Beispiel ein Gas oder eine Flüssigkeit geschickt wird. In dem spezifisch geformten Strahl wird Licht in mehreren Polarisierungsrichtungen überlagert. Die Partikel, die sich durch diesen bewegen, schatten die Überlagerungen teilweise ab, sodass der Sensor die genaue Position eines Partikels feststellen kann. Zudem wird mittels einer hochfrequenten Abtastung ein charakteristisches Muster erzeugt, mit dem sich die Größe des Partikels, dessen Form und seine Geschwindigkeit ermitteln lassen. Dafür werden die Daten mit Hilfe einer Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet, die auf die jeweiligen Anwendung trainiert ist.

Sick übernimmt in der Kooperation die Anwendungsentwicklung und den Vertrieb des Produkts. Q.ant ist für die Fertigung der Messtechnik und damit das technologische Herzstück des Sensors zuständig. Gemeinsam wurde eine Anwendung entwickelt, die zeigt, welche Möglichkeiten sich durch Quantentechnologie in der Qualitätssicherung erschließen lassen. Konkret geht es um die Produktion von Kaffee. Mit dem Quantensensor von Sick und Q.ant sollen Lebensmittelhersteller die Qualitätsprüfung ihres Kaffees verbessern können.

Ergebnis wird in Echtzeit
bereit gestellt

Der Sensor misst auf die schon beschriebene Weise die Größe und die Form der einzelnen Pulverkörner, die für die verschiedenen Geschmacksrichtungen des Kaffees eine entscheidende Rolle spielen. Das sorgt für bessere Qualität und bringt Geschwindigkeit in den Prozess. Denn um die Qualität der Körnung zu prüfen, ist es nun nicht mehr notwendig, eine Probe zu entnehmen und diese im Labor zu untersuchen. Die Technologie von Sick und Q.ant lässt sich direkt in den Fertigungsprozess integrieren. Das Ergebnis wird in Echtzeit bereit gestellt, wie Q.ant-CEO Michael Förtsch berichtet. Auf diese Weise lassen sich dann zum Beispiel perfekt geformte Kaffee-Körnchen von solchen unterscheiden, die aneinander kleben. Zusammen mit einem Lebensmittelkonzern konnten bereits entsprechende Pulvermessungen durchgeführt werden.

Laut Förtsch ist es einfach, die Technologie in einen Fertigungsprozess zu integrieren. Gemeinsam mit potenziellen Kunden wollen die Anbieter nun Anwendungen für weitere Use-Cases erarbeiten. Die Hardware bleibt dabei stets gleich. Die Anpassungen an die entsprechende Anwendung finden über die Software statt, die als Service bereit gestellt wird.

Mögliche Einsatzgebiete finden sich neben der pulververarbeitenden Nahrungsmittelindustrie insbesondere in der Pharmaindustrie. Dort könnte sich die optimale Zusammensetzung von Tablettenpulver einfacher bestimmen lassen. In der Elektronik könnten Schaltkreise durch Oberflächen hindurch inspiziert werden. Auch in der Zementherstellung bieten sich Anwendungsmöglichkeiten.

Experten gehen davon aus, dass der Markt für Quantensensorik beständig wachsen wird – auch vorangetrieben durch den Bund. Dieser fördert die Industrialisierung von Quantentechnologien mit insgesamt zwei Milliarden Euro. „Allein der Weltmarkt für Quantentechnologie soll sich bis zum Jahr 2030 versechsfachen und einen Wert von 2,33 Milliarden Euro jährlich erreichen“, sagt Förtsch. Hinzu kämen Software und Services, die den Markt nochmals um den Faktor drei bis vier vergrößern könnten. „Wir stehen in diesem Jahrzehnt an einem Wendepunkt, an dem die Quantentechnologie die Forschungslabore verlässt und in der Industrie ankommt“, sagt Förtsch. Er erwartet, dass Quantentechnik in Bereichen wie eben Sensorik aber auch Kryptographie oder Computertechnologie zum Standard werden wird.

Q.ANT GmbH
Handwerkstraße 29
70565 Stuttgart
Tel. +4971145969613

www.qant.de


Webhinweis

Welche Möglichkeiten Quantentechnologie in der Messtechnik eröffnet und woran die Firma Q.ant darüber hinaus noch arbeitet, zeigt dieses Video:

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