Startseite » Branchen » Automobil »

Qualitätsichern in der Linie

Automotive-Unternehmen verabschiedet sich vom klassischen Messraum
Qualitätsichern in der Linie

Firmen messen zunehmend inline – also direkt in der Fertigungshalle. Zu diesen zählt nach anfänglichen Zweifeln auch der Automobilzulieferer Erkert. Er setzt mittlerweile neun Koordinatenmessgeräte von Carl Zeiss in unmittelbarer Umgebung der Bearbeitungsmaschinen ein. Die Prozesse sind damit wirtschaftlicher.

Es war der entscheidende Schritt in der Unternehmensgeschichte und der Anlass für ein Umdenken in Sachen Messtechnik: Im Jahr 2001 begann die Hermann Erkert GmbH Komponenten für Diesel-Einspritzsysteme zu produzieren – ein Geschäftsfeld, das dem Unternehmen heute 70 Prozent seines Umsatzes beschert.

„Das war für uns eine neue Welt, ein Sprung nach oben“, erinnert sich Nikolaj Beck, Leiter der Qualitätssicherung. Zuvor hatte das Unternehmen vor allem Teile für Lenkungen und Hydraulikpumpen hergestellt. Der erste Großauftrag für Dieseleinspritzsysteme eröffnete dem Mittelständler ganz neue Chancen.
Herausforderungen für Fertigung und Messtechnik
Die gefragten Produkte verlangten eine noch präzisere Fertigung und umfassten Produktionsvolumina von mehreren Millionen Bauteilen pro Jahr. Dazu musste ein neues Werk gebaut werden. Nicht nur Dreh-, Fräs- und Bohrzentren standen auf der Liste der Investitionen. Es stellte sich auch die Frage nach neuen Messgeräten. Hohe Präzision und Schnelligkeit waren dabei die wichtigsten Anforderungen an die neuen Messgeräte. Denn von der Präzision der Komponenten hängt es ab, ob das Einspritzsystem später in der Lage ist, unter hohem Druck den Treibstoff exakt zu dosieren und im richtigen Moment in den Motor zu spritzen. Die geplanten Stückzahlen erforderten zudem eine schnelle Abwicklung der Messungen.
Das Unternehmen wandte sich mit diesen Anforderungen an Carl Zeiss. Denn nicht nur der Mittelständler hatte bereits gute Erfahrungen mit Messgeräten aus Oberkochen gemacht. Auch seine Kunden aus der Automobilindustrie setzten diese ein – und legten Wert auf vergleichbare Ergebnisse zwischen der Warenausgangsprüfung bei Erkert und der eigenen Wareneingangskontrolle.
Bis dahin führte Erkert seine Qualitätssicherung in klassischen Messräumen außerhalb der Produktionsumgebung durch. Dort lieferten die Maschinenbediener ihre Werkstücke ab. Die Messungen selbst führten ausschließlich Messtechniker durch. Weite Wege und Wartezeit waren die Regel – für die Zukunft keine Lösung.
Die Experten von Carl Zeiss schlugen vor, die Messgeräte direkt in die Fertigungsumgebung zu verlagern. Ein Vorschlag, der bei Erkert zunächst Skepsis hervorrief: „Ein Messgerät mitten in der Produktionshalle konnte sich keiner vorstellen“, sagt Beck.
Positive Überraschung
Erkert wagte trotzdem einen ersten Versuch mit dem Koordinatenmessgerät Gagemax, das Carl Zeiss speziell für die Messung in der Fertigungsumgebung entwickelt hat: Es benötigt lediglich eine Stellfläche von rund drei Quadratmetern und ist flexibel genug, um eine breite Werkstückpalette zu messen. Außerdem ist es unempfindlich gegenüber Staub, Öl, Bodenschwingungen und Temperaturschwankungen.
„Nach zwei oder drei Monaten haben wir gesehen, dass es funktioniert“, berichtet Beck. „Das hat uns positiv überrascht.“ Die Idee, vor Ort an der Maschine zu messen, fand beim Automotive-Unternehmen immer mehr Anklang: „Schließlich war es ganz im Sinne der Geschäftsleitung, den Messprozess weiter zu rationalisieren“, so Beck weiter.
Ob fertigungsbegleitende Stichprobenmessung oder Warenein- und ausgangskontrolle – der klassische Messraum gehört bei Erkert heute der Vergangenheit an. Alle Messungen finden entweder unmittelbar neben den Bearbeitungsmaschinen oder in Messräumen statt, die direkt in die Fertigungshalle integriert sind. Die Messgeräte sind dabei zu über 90 % ausgelastet und drei Schichten täglich im Einsatz.
Acht Koordinatenmessmaschinen vom Typ Gagemax führen neben den Bearbeitungsmaschinen die Stichprobenmessungen bis auf wenige µm genau durch. Hinzu kommt das etwas kleinere Messgerät Duramax, das ebenfalls auf die Fertigungsumgebung zugeschnitten ist. In den klimatisierten Messräumen innerhalb der Fertigungshallen setzt Erkert 17 Portal-Messgeräte des Typs Prismo navigator von Carl Zeiss ein. Auch diese sind auf die Produktionsumgebung ausgerichtet. Sie benötigen aber aufgrund ihrer hohen Präzision eine gleichbleibend temperierte Umgebung. „Welches Messgerät wir verwenden, hängt davon ab, welche Genauigkeit beim jeweiligen Produktionsschritt verlangt wird“, erklärt Beck. Er verdeutlicht dies am Beispiel der Injektorkörper, dem Herzstück der Diesel-Einspritzsysteme. Zunächst werden die Außenkonturen des Schmiederohlings mit der Drehmaschine bearbeitet. Dabei sind Toleranzen von wenigen Mikrometern einzuhalten, weshalb Erkert für die Stichprobenmessung im Anschluss das Messgerät Prismo im Fertigungsmessraum einsetzt.
Im zweiten Produktionsschritt werden Tieflochbohrungen eingebracht. Anschließend misst das Koordinatenmessgerät Gagemax die Stichproben in unmittelbarer Umgebung der Bearbeitungsmaschine. Bei der abschließenden Fräs- und Bohrbearbeitung wird der Injektorkörper mit dem Hochdruckanschluss sowie dem Kraftstoffrücklauf versehen. Die Qualitätsprüfung findet im Fertigungsmessraum statt.
Der Maschinenbediener misst selbst
Eine weitere Veränderung brachten die neuen Messgeräte mit sich: Alle Messungen an Gagemax und Prismo navigator nimmt der Maschinenbediener eigenhändig vor. Per Knopfdruck wählt er das Messprogramm aus und startet den automatischen Scanvorgang: „Unsere Messtechniker konfigurieren die Maschinen, Spannvorrichtungen und Programme so vor, dass ein Maschinenbediener die Messung nach einer kurzen Schulung selbstständig durchführen kann“, erklärt Beck.
Über die Messsoftware Calypso gehen die Ergebnisse anschließend direkt in ein CAQ-System ein. Dort werden sie archiviert und fließen in die Steuerung des Fertigungsprozesses ein. Weil auch die Kunden von Erkert mit Messgeräten und Messsoftware von Carl Zeiss arbeiten, lassen sich die Messabläufe aneinander anpassen. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse vereinfacht die Zusammenarbeit.
Zeit und Kosten eingespart
„Es war die richtige Entscheidung, sich vom klassischen Messraum zu lösen und die Messtechnik extrem nah an die Fertigung heranzurücken“, zieht Beck ein Fazit. „Was uns anfangs noch etwas zweifeln ließ, hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen.“
Vor allem zwei Aspekte schlagen sich seiner Ansicht nach direkt in Zeit- und Kostenersparnissen nieder: Zum einen fielen die weiten Wege von der Maschine in den Messraum ebenso weg wie die Wartezeit dort. Zum anderen könne der Bediener nun unmittelbar auf seine Messergebnisse reagieren, das heißt, mögliche Anpassungen an der Bearbeitungsmaschine vornehmen. „Das Messen in der Fertigungsumgebung hat unsere Messvorgänge wesentlich wirtschaftlicher gemacht“, stellt Beck fest. ■
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de