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Keine Panik bei der Passivschicht

Schnelltest auf Korrosionsgefahr an nichtrostenden Stählen
Keine Panik bei der Passivschicht

Keine Panik bei der Passivschicht
Das Erscheinungsbild von Stahloberflächen ist kein Kriterium für die sichere Auswahl von Werkstoffen. In der Praxis gibt es viele Faktoren, die die Qualität der Passivschicht beeinflussen: Wie wurden die Oberflächen bearbeitet? Wie die Schweißnähte nachbehandelt? Wurden Anlauffarben nach dem Schweißen vollständig entfernt? Bild: TÜV Süd
Anlagenkomponenten aus nichtrostendem Stahl sind durch eine Passivschicht auf der Oberfläche vor Korrosion geschützt. Ist diese schadhaft oder unvollständig ausgebildet, geht der Schutz verloren. Korropad bietet eine Möglichkeit, dies zu überprüfen. Dabei handelt es sich um einen Schnelltest, der in nur 15 min ein valides Prüfergebnis liefert.

Im Anlagenbau wird meist nichtrostender austenitischer Chrom-Nickel-Molybdän-Stahl eingesetzt. Er besteht zu etwa 70 % aus Eisen. Für die Korrosionsbeständigkeit ist Chrom das wichtigste Legierungselement. Ab einem Gehalt von etwa 10,5 % bildet es auf der Stahloberfläche selbsttätig eine dichte Chromoxidschicht. Diese Passivschicht ist aber nur wenige Atomlagen dünn, nicht sichtbar und empfindlich. Korrosionsgefahr besteht, wenn die Passivschicht noch nicht vollständig ausgebildet ist. Aber auch, wenn die Werkstoffoberfläche Imperfektionen enthält, die der Ausbildung einer Passivschicht entgegenwirken.

Bei Beschädigung kann sich die Passivschicht bei Zutritt von Sauerstoff und Feuchtigkeit neu ausbilden. Dauerhaften Schutz kann sie nur bieten, wenn die Voraussetzungen für eine Neubildung erfüllt sind. Wichtige Faktoren dafür sind ausreichende Sauerstoffkonzentrationen, Feuchtigkeit sowie saubere und metallisch blanke Oberflächen.

Für die Qualitätskontrolle der Passivschicht hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) den Schnelltest Korropad entwickelt, an dessen Prüfung sich TÜV Süd Chemie Service beteiligte. Das Korropad-Verfahren ist eine zerstörungsfreie Prüfung, mit der Rohre, Rohrsysteme und Behälter bereits vor dem Einbau in eine Anlage auf ihre Korrosionsbeständigkeit hin getestet werden können. Ein weiterer klarer Vorteil: Der Test ist sehr einfach anzuwenden. Vorkenntnisse auf dem Gebiet der Korrosion oder der Elektrochemie sind nicht erforderlich. Pro Prüfung werden drei Pads benötigt, die auf den nichtrostenden Stahl gelegt werden. So erhält man eine Momentaufnahme über den Zustand der Passivschicht.

Die Pads besitzen etwa die Größe einer Fünf-Cent-Münze. Bevor sie aufgelegt und angedrückt werden, ist eine Reinigung mit Aceton oder Alkohol der zu prüfenden Oberfläche notwendig. Nach 15 min werden die Pads mit einem Kunststoffspatel abgelöst und auf eine Kunststoffträgerfolie gelegt. Zum Zwecke der systematischen Auswertung und Dokumentation kann das Prüfergebnis eingescannt oder fotografiert werden.

Die Funktionsweise des Korropad-Verfahrens ist einfach: Ist die Passivschicht unvollständig, treten zweiwertige Eisenionen aus den Fehlstellen in der Schutzschicht heraus und gehen in Lösung. Wasser mit geringen Mengen an Natriumchlorid und ein Indikator für Eisenionen sind die Inhaltsstoffe der gelartigen Pads. Fehlt lokal die schützende Chromoxidschicht auf der Stahloberfläche, zeigt der in wässriger Lösung gelblich-transparente Indikator Kaliumhexacyanoferrat(III) bei Kontakt mit den Eisenionen einen spontanen Farbumschlag zu „Berliner Blau“. Als Anzeigen erscheinen gut sichtbare blaue Punkte in den hellgelben Pads. Wird Korrosionsgefahr entdeckt, beraten die Werkstoff-Experten zusammen mit dem Anlagenbetreiber die nächsten Schritte.

Eignung in Praxistests belegt

Das Korropad-Verfahren wirkt vorrangig oberflächenspezifisch und eignet sich für den Einsatz an allen relevanten nichtrostenden Stahlsorten. Umfangreiche Praxistests bei TÜV Süd Chemie Service bestätigten dies. Prüfobjekte waren austenitische Chrom-Nickel-Molybdän-Stähle. Alle Tests an Anlauffarben nach dem Schweißen ergaben auch Anzeigen im Korropad. Zudem wurde beobachtet, dass elektrochemisches Reinigen oder Polieren mit dafür geeigneten Vorrichtungen oder die mechanische Bearbeitung wie das Bürsten der Schweißnähte teilweise noch Anzeigen zur Folge hatte. Offensichtlich war die Beseitigung der Anlauffarben zuvor nicht in ausreichendem Maße durchgeführt worden, was einer vollständigen Neubildung der Passivschicht entgegenwirkte.

Die Praxistests bei TÜV Süd Chemie Service wurden von lokalen elektrochemischen Messungen zu Vergleichszwecken begleitet. Die Ergebnisse zeigten, dass dort, wo Korropad-Prüfungen zu Anzeigen führten, ein niedrigeres Lochkorrosionspotential ermittelt werden konnte. Folglich ist an diesen Stellen die Korrosionsgefahr erhöht. Zudem konnte die Eignung des Schnelltests für die Qualitätssicherung belegt werden: Auf der Außenseite von längsnahtgeschweißten Rohren im Neuzustand wurden zweifelsfrei Fehlstellen nachgewiesen.

Die Korrosionsbeständigkeit der Stähle kann im Lieferzustand und nach der Verarbeitung geprüft werden. Von Anfang an besteht damit Klarheit beim Korrosionsschutz. Mit dem Verfahren lassen sich aber auch viele prozessbedingte Einflussfaktoren auf die Oberflächengüte und den Werkstoff charakterisieren. Aufgrund der schnellen Anwendung und der einfachen Auswertung der Prüfergebnisse können positive und negative Veränderungen in Bezug auf die Passivschichtstabilität sofort erkannt werden. Anwender sind so in der Lage, schnell zu reagieren, kritische Einflüsse zu eliminieren und von Inhouse-Prozessen einzuleiten. Als potentielle Einsatzgebiete kommen zudem die Bereiche der Wareneingangs- und/oder Warenausgangskontrolle in Frage. ■


Die Autoren

Dr. Helga Leonhard

Prüfingenieurin
Materials
Eng. & Testing

TÜV Süd
Chemie Service

www.tuev-sued.de

Jens Lehmann

wissenschaftlicher Mitarbeiter BAM

www.bam.de

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