Die EU hat die Produkthaftung zuletzt mit der Produkthaftungsrichtlinie aus dem Jahr 1985 (85/374/EWG) geregelt, aus der heraus auch das deutsche Produkthaftungsgesetz entstand.
Nun hat die Kommission am 28. September einen schon lange erwarteten Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie vorgelegt. Dieser bedeutet vor allem: Die Haftung soll verschärft und neue Adressaten der Vorgaben ins Spiel gebracht werden. Allerdings muss man auch feststellen, dass viele der Neuerungen eher eine Art Klarstellung und Anpassung an das schon geltende Produktsicherheitsrecht bedeuten würden.
Nachstehend die Top 9 der vorgeschlagenen Änderungen:
- Die europäische Produkthaftung gilt künftig nicht mehr nur für bewegliche Sachen und Elektrizität, sondern auch für digitale Produktionsdateien und für Software einschließlich KI-Systeme. Das bisher gerne diskutierte Problem Software = Produkt ist damit insoweit hinfällig.
- Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht der berechtigten Sicherheitserwartung eines durchschnittlichen Verbrauchers entspricht.
- Selbstbehalte und Haftungshöchstgrenzen entfallen ersatzlos.
- Wer ein Produkt wesentlich verändert, haftet verschuldensunabhängig wie ein Hersteller. Kennern und Kennerinnen des Maschinensicherheitsrechts wird das bekannt vorkommen.
- Die Haftung des Herstellers kann auch dann entstehen, wenn er sein Produkt nach dem Inverkehrbringen, zum Beispiel über Softwareupdates weiter kontrollieren kann. Der bisher maßgebliche Zeitpunkt des Inverkehrbringens wird damit erheblich aufgebohrt.
- Neben dem Hersteller, dem Quasihersteller, und dem Einführer können künftig auch der Bevollmächtigte des Herstellers und der Fulfillment-Dienstleister – unter bestimmten Voraussetzungen – wie Hersteller für Produktfehler haften.
- Die Kausalität zwischen Produktfehler und Schaden wird vermutet, wenn der Schaden durch eine offensichtliche Fehlfunktion des Produkts bei normalem Gebrauch entstanden ist. Das ist faktisch eine Beweiserleichterung zugunsten der Geschädigten.
- Eine fehlende Erkennbarkeit des Produktfehlers bei Inverkehrbringen entlastet den Hersteller künftig nicht mehr, wenn der Fehler durch ein Sicherheits-Software-Update hätte behoben werden können. Das gibt der sogenannten Update-Pflicht zusätzlichen Diskussionshintergrund, insbesondere in Bezug auf Sicherheitsupdates.
- Last but not least: Unternehmen werden gezwungen sein, in ihrem Besitz befindliche Beweismittel (zum Beispiel Konstruktionsunterlagen), die der (potenzielle) Kläger zur Begründung seiner Ansprüche braucht, herauszugeben. Tun sie es nicht oder nicht vollständig, wird die Fehlerhaftigkeit des Produkts gesetzlich vermutet. Auch das ist eine bedeutende Neuerung, die vor dem Hintergrund des bisher in Deutschland bestehenden Beweislastverteilung zuwiderläuft. Die Regelung ähnelt stark dem Disclosure-Verfahren der Amerikaner.
Für Unternehmen bedeuten diese Änderungen, den weiteren Prozess sehr genau zu beobachten und sich vorzubereiten. Sollte der Entwurf unverändert in die Umsetzung gebracht werden, bleibt nur eine kurze Zeit zur Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten.
Alles was Recht ist
Daniel Wuhrmann
von Reusch Rechtsanwälte
liefert regelmäßige Beiträge zu rechtlichen Themen.