Die Produktbeobachtung – also das Erkennen und Bewerten der Produktperformanz im Feld mit Fokus auf eine unbekannte Gefährlichkeit – ist nicht nur eine wesentliche Stütze bei der klassischen Produktweiterentwicklung, sondern auch schlicht gesetzliche Verpflichtung eines jeden als „Hersteller“ beziehungsweise „Inverkehrbringer“ zu qualifizierenden oder diesen gleichzusetzenden Wirtschaftsakteurs. Die Produktbeobachtung kann aktiv wie passiv stattfinden und sollte, nicht zuletzt zu Nachweiszwecken, stets gut dokumentiert werden.
Vor diesem Hintergrund sollte man davon ausgehen dürfen, dass bei nahezu allen produzierenden und/oder Produkten in Verkehr gebenden Unternehmen stets ausreichende Datensätze vorliegen, um etwaige Auffälligkeiten – auch im Bereich „normaler“, das heißt nicht sicherheitskritischer Ausfälle – im Feldeinsatz bewerten und interpretieren zu können. Doch selbst im Bereich der Automobilzulieferindustrie, die hinsichtlich der Produktrückverfolgbarkeit und Beobachtung der Fahrzeuge und deren Bauteilen sehr erfahren und geschickt ist, kommt es durchaus häufig vor, dass Lieferanten – also Hersteller von Bauteilen und deren Komponenten – kaum bis gar keine Produktbeobachtung betreiben und nur in kritischen Fällen die von den eigenen Kunden (OEM) zur Verfügung gestellten Daten selten archivieren, geschweige denn bewerten und interpretieren. Das ist ein Fehler – aus diversen Gründen.
Folgen für Versicherungsschutz
Zum einen stellt dies einen klaren Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen dar, nicht zuletzt als Teil der sogenannten Sorgfaltspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB. Die Folgen hiervon sind komplex, im Ergebnis wird damit schlicht die Grundlage für die Haftung gegenüber geschädigten Dritten, dem eigenen Kunden und auch den Marktaufsichtsbehörden gegenüber gelegt. Darüber hinaus kann dies auch negative Auswirkungen auf den eigenen Versicherungsschutz haben. Zum anderen führt dieses „Wegschauen“ und „Nicht-Hinterfragen“ aber auch und vor allem deutlich häufiger als die erstgenannten Fälle dazu, dass Haftungsansprüchen des Kunden aus dem klassischen Gewährleistungsbereich nicht begegnet werden kann.
In der Beratung des Handlings großvolumiger Schadensfälle erkennt man häufig, dass einfachste Zusammenhänge oder Widersprüche in den Datensätzen schon sehr früh zu Nachfragen beim Kunden oder der eigenen Entwicklung oder Fertigung hätten erfolgen können. Oftmals fällt nämlich schon früh auf, dass bei außerdienstlichen Ausfällen Besonderheiten zu vermerken sind: bestimmte Produktions- oder Lieferdaten, besondere Einsatzbedingungen, Häufungen von Ausfällen in einzelnen geografischen Zonen, die zudem Besonderheiten im Klima oder auch im Nutzerverhalten zeigen. All dies sind Punkte, die gegen einen Designfehler oder auch für einen Anwenderfehler oder für unzureichende Kundenvorgaben sprechen können. Solche Positionen helfen aber, einen „Anfangsverdacht“ hinsichtlich der Mangelhaftigkeit der eigenen Produkte zu erschüttern und den eigenen Kunden dazu zu bringen, die bisher an den Tag gelegte Argumentation und Forderung zu hinterfragen.
Klar ist, dass Produktbeobachtung auch stets Aufwand bedeutet. Dennoch scheint es meist so, dass es häufig nur anfänglicher Aufwand ist, bis durchdachte Systeme aufgesetzt wurden, die diese Daten sammeln und gar bestenfalls eigenständig auswerten. Dafür benötigt man nicht zwingend Künstliche Intelligenz, einfache Tabellenfilterfunktionen können hier schon Interessantes zutage bringen.
Alles was Recht ist
Daniel Wuhrmann
von Reusch Rechtsanwälte
liefert regelmäßige Beiträge zu rechtlichen Themen.