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Ende des Papierkriegs

Softwaregestütztes Qualitätsmanagement in der Medizintechnik
Ende des Papierkriegs

Um das Qualitätsmanagement transparenter und effizienter zu gestalten, hat der Medizinproduktehersteller Tracoe Medical eine auf die Branche zugeschnittene Software eingeführt. Dank digitaler Signaturen entfällt das Ausdrucken und Weiterreichen von Dokumenten. Vordefinierte Workflows erleichtern den Arbeitsalltag.

Moderne Medizinprodukte sind unentbehrlich für die Gesundheit der Menschen. Die Tracheotomie – also der Luftröhrenschnitt – ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem ein künstlicher Zugang zur Luftröhre gelegt wird, um den Atemweg des Patienten zum Beispiel bei Krebserkrankungen zu sichern. Der Patient muss dann vorübergehend oder dauerhaft zur Beatmung eine Tracheostomiekanüle tragen. Solche Medizinprodukte tragen dazu bei, die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu erhöhen und den Behandlungserfolg zu maximieren.

Diesem Ziel hat sich auch das Familienunternehmen Tracoe Medical verschrieben, das Tracheostomiekanülen und Hilfsmitteln zur Beatmung von Patienten mit Luftröhrenschnitt und Kehlkopfoperationen entwickelt. Das Produktportfolio erfüllt höchste Qualitätsanforderungen, entspricht allen relevanten nationalen und internationalen Richtlinien und Normen und wird weltweit in 86 Ländern vertrieben. Ein wirksames Qualitätsmanagement für Medizinprodukte nach DIN EN ISO 13485:2016 und der EU-Verordnung MDR, das die Anforderungen für „Gute Arbeitspraxis und gute Herstellungspraxis“ (GxP) erfüllt, ist Pflicht und bindet alle Mitarbeiter von Tracoe Medical ein.

2015 entschlossen sich die Verantwortlichen, das Qualitätsmanagement zukünftig über ein softwaregestütztes System noch transparenter und effizienter zu gestalten. „Wir haben uns ein System gewünscht, das unter anderem die Möglichkeit der Nutzung von elektronischen Unterschriften sowie die elektronische Erfassung von Nachweisen über Befähigungen und Qualifikationen vereint“, erklärt Lenard Campen, Leiter Prozess- und IT-Management bei Tracoe Medical. „Außerdem war für uns wichtig, ein rollenbasiertes Konzept zum Erstellen, Prüfen, Freigeben und Inkraftsetzen der GxP relevanten Dokumente – von Prozessen über Anweisungen bis zu Formblättern – aufbauen zu können“.

Das Unternehmen entschied sich für eine Lösung von Consense, einem Anbieter von Software für das Qualitätsmanagement und für Integrierte Managementsysteme. Die Aachener Entwickler haben sich unter anderem auf die speziellen Anforderungen im medizinischen und pharmazeutischen Bereich spezialisiert – mit der genau auf diese Anforderungen zugeschnittenen Lösung Consense GxP. Die Software unterstützt unter anderem das besonders aufwändige Dokumentenmanagement und die revisionssichere Archivierung von Dokumenten, Prozessen und Änderungen.

Elektronisches Management für GxP-Dokumente

Mit der Einführung von GxP führte Tracoe Medical die Anforderungen der DIN EN ISO 13485:2016 für das Qualitätsmanagement von Medizinprodukten und der MDR (Medizinprodukteverordnung der EU) unter einer einheitlichen Oberfläche zusammen. GxP unterstützt bei der Erfüllung dieser speziellen Anforderungen. Denn die Implementierung von neuen Prozessen nach diesen Vorgaben ist mit der Erstellung einer Vielzahl von Dokumenten verbunden. Deren systematische Lenkung, Überwachung und revisionssichere Archivierung ist aufwändig und ohne entsprechend darauf ausgerichtete Software häufig kaum noch zu leisten.

Die Software ist skalierbar, kann sich also zukünftig veränderten Anforderungen anpassen und lässt sich durch verschiedene Module jederzeit erweitern. Das überzeugte die Verantwortlichen in Nieder-Olm. „Wir fanden, dass das System unseren Anforderungskatalog mit am besten abdeckte“, berichtet Adeline Renier, Qualitätsmanagement- und Sicherheitsbeauftragte für Medizinprodukte.

Bei der Einführung ließ sich Tracoe Medical von den Consense-Experten unterstützen, die bereits zahlreiche Einführungsprojekte begleitet haben. Zunächst erfolgte die Validierung der Software GxP. Als methodischer Ansatz wurde das Verfahren nach dem anerkannten Standard GAMP 5 gewählt. Hierfür wurden die Validierungsstrategie und die zugehörige Validierungsdokumentation von Consense für GxP zugrunde gelegt. Der genau auf Tracoe Medical zugeschnittene Validierungsablauf wurde gemeinsam mit den Beratern erarbeitet.

Nach Freigabe des Systems für den validierten Betrieb wurden schrittweise die vorhandenen GxP-relevanten Dokumente und Prozesse eins zu eins in GxP übernommen. Wo notwendig, wurde neu strukturiert. Dieses geschah mithilfe der Keyuser und Leiter der einzelnen Fachbereiche des Unternehmens.

„Wir haben beispielsweise bei jedem Prozess die Verantwortlichkeiten überdacht und teilweise neu festgelegt“, so Campen. Nach Prüfung und Freigabe der Prozesse, Dokumente und Formblätter konnte die Inkraftsetzung des Systems am Stichtag stattfinden. „Insgesamt haben wir von der Validierung bis zum Go-Live etwa ein Jahr benötigt und konnten ganz nach Plan starten“, erklärt der Prozess- und IT-Management-Leiter.

Zuverlässige Revisionierung und Ablage

Am 25. August 2016 trat das System in Kraft. Es erleichtert nun an vielen Stellen den Arbeitsalltag in der Zentrale von Tracoe Medical. Ein wichtiger Bestandteil ist das elektronische GxP-konforme Dokumentenmanagement, das jetzt transparent und sehr effizient ist: Die Dokumente durchlaufen vordefinierte Workflows – zum Beispiel intelligente und dynamische Prüf-, Freigabe- und Inkraftsetzungsprozesse.

Alle Mitarbeiter am deutschen Standort – von Verwaltung bis Produktion – haben Zugang. Zu den wichtigsten Inhalten des Systems gehören die Arbeitsanweisungen. GxP stellt sicher, dass die Beschäftigten immer auf die aktuell gültige Revision Zugriff haben, denn die Software sorgt für eine zuverlässige Revisionierung und Ablage der Dokumente. „Unsere Mitarbeiter schätzen an GxP außerdem ganz besonders die eindeutigen Zuständigkeiten, die in allen Workflows festgelegt sind. Hier werden auch Vertreter im Falle der Abwesenheit benannt“, sagt Renier.

Ein weiterer Vorteil, den das softwaregestützte System bietet, sind die Verknüpfungen der einzelnen Prozesselemente mit den dazugehörigen Dokumenten. „Früher waren die Verfahrensanweisungen bei uns eigenständige Dokumente. Mit GxP haben wir nun die Möglichkeit, diese mit den im System abgebildeten Prozessen zu verknüpfen“, erklärt Campen. Damit hätten die Mitarbeiter direkt Zugriff auf die dazugehörigen Informationen. „Das spart eine Menge Zeit.“

Aber auch der Papierkrieg im Unternehmen hat sich verringert. Durch den Einsatz elektronischer Unterschriften, die den gleichen Wert haben wie Signaturen auf Papier, entfällt das Ausdrucken, Unterschreiben und Weiterreichen von Dokumenten. Damit arbeitet das Unternehmen jetzt in vielen Bereichen schon papierlos.

Qualifikationsmatrix für einen schnellen Überblick

Ein Beispiel für den Verzicht auf Papierordner ist der Bereich der Schulungsnachweise: In der GxP-konformen Dokumentation spielen die Qualifikationen der Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Denn die Beschäftigten müssen über verschiedenste Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen sowie regelmäßig bestimmte Schulungen absolvieren. Über diese Qualifizierungen werden genaue Nachweise geführt, die unter anderem für die ISO 13485-Zertifizierung belegt werden müssen.

„Die Qualifizierungsnachweise gelten nicht nur, aber ganz besonders für unsere Mitarbeiter in der Produktion, die in genau festgelegten Prozessen Tracheostomiekanülen und Co. fertigen“, sagt Renier. Hier hat sich die Software-Unterstützung schnell bewährt und erleichtert jetzt den Arbeitsalltag durch elektronische Nachweise erheblich.

Bis zur Einführung von GxP wurden die Qualifizierungen mithilfe von Excel-Listen erfasst. „Dabei konnten sich schnell einmal manuelle Übertragungsfehler einschleichen“, berichtet Campen. Mit Einführung des neuen Systems wurde bei Tracoe Medical eine Qualifikationsmatrix eingerichtet, die nun alle Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter erfasst. Qualitätsmanagementbeauftragte Renier ergänzt: „Damit können wir nun jederzeit schnell und einfach den tatsächlichen Qualifikationsstand der Mitarbeiter mit den erforderlichen Qualifikationen abgleichen.“

Zukünftig wird Tracoe Medical noch einen Schritt weiter gehen und auch seinen Schulungsbedarf mit elektronischer Hilfe managen. Denn das Unternehmen hat bereits auch das Modul Schulungsmanagement von Consense erfolgreich validiert, das in Kürze mit Leben gefüllt werden soll. Davon versprechen sich die Verantwortlichen eine weitere Vereinfachung in Planung und Organisation der erforderlichen Schulungen – von der Terminplanung über Genehmigungsabläufe, der Erfassung und Bereitstellung von Schulungsunterlagen oder Zertifikaten, dem automatischen Zertifikatsausdruck oder der Auswertung von Teilnehmerfeedback bis hin zur Wirksamkeitsbewertung durch Vorgesetzte.

Validierung ist kein Hexenwerk

Campen ist sehr zufrieden mit dem Verlauf des Einführungsprojekts und der Beratungsleistung durch Consense. Aus der gesammelten Erfahrung möchte er anderen Unternehmen, die noch am Anfang dieses Prozesses stehen, etwas mit auf den Weg geben: „Keine Angst vor dem, was bevorsteht – denn Validierung ist kein Hexenwerk. Hat man erst seine eigene Validierungssystematik gefunden und erfolgreich umgesetzt, lässt sich diese auch für zukünftige Projekte anwenden.“

Wichtig sei auf jeden Fall, die besten Mitarbeiter aus den verschiedenen Fachbereichen von Anfang an mit einzubeziehen und genügend Kapazitäten in den jeweiligen Abteilungen zu schaffen. Dann sind laut dem Experten beste Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung geschaffen. „Eine weitere Erkenntnis ist aber auch, dass sich viele Potenziale und Synergie-Effekte erst im Projektverlauf richtig erkennen lassen. Diese sollte man dann nachträglich berücksichtigen“, empfiehlt Campen.

Nach der erfolgreichen Umsetzung der Zertifizierung hat der Leiter für das Prozess- und IT-Management für die nahe Zukunft bereits große Pläne zum Ausbau des Systems. Nach der Einführung der Module Schulungs- und Qualifikationsmanagement soll im kommenden Jahr das Auditmanagement folgen, das bei Planung, Durchführung und Nachbereitung der Audits unterstützt. „Im Moment nutzen wir GxP nur in unserer Zentrale“, sagt Campen. „Es ist aber durchaus denkbar, dass wir das System irgendwann auf die anderen Standorte ausdehnen.“ ■


Die Autorin

Dr. Iris Bruns

Geschäftsführung

Consense

www.consense-gmbh.de


Zum Unternehmen

Tracoe Medical ist ein Entwickler und Hersteller von Tracheostomiekanülen und Hilfsmitteln zur Beatmung von Patienten mit Luftröhrenschnitt und Kehlkopfoperationen. Das Unternehmen vereint Produktion, Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung an einem Zentralstandort auf mehr als 6000 qm Fläche in Nieder-Olm in Rheinland-Pfalz. Es beschäftigt etwa 180 Mitarbeiter. Zur Tracoe Gruppe gehören auch das Tochterunternehmen MC Europe in den Niederlanden sowie die eigenständige Schwestergesellschaft Kapitex mit 25 Mitarbeitern in England. Die Kunden von Tracoe Medical sind zum Beispiel Krankenhäuser, Pflegedienste, Apotheken und Händler. Das deutsche Unternehmen liefert sein Sortiment weltweit in 86 Länder.


Webhinweis

Auf der diesjährigen Control sprachen Iris Bruns und Stephan Killich von Consense im Video-Interview mit der QE-Redaktion. Themen waren die Revision der ISO 9001:2015 und Qualitätsmanagement für international aufgestellte Unternehmen: http://hier.pro/IGbsz

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