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Experten sehen Paradigmenwechsel für die Qualitätssicherung

Digitalisierung
Ein neues Level für die Qualitätssicherung

Die Digitalisierung fordert die Qualitätssicherung auf vielfältige Weise – wie ein Thementag und ein Impulspapier der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) zeigen. Es gilt Automatisierung und Simulation zu nutzen, digitale Produkte in die QS einzubeziehen und die notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter aufzubauen.

» Markus Strehlitz

Ist die klassische Qualitätssicherung ein analoges Auslaufmodell? So lautete die Überschrift, die über dem DGQ-Thementag Digitalisierung stand, der im November in – wie könnte es anders sein – digitaler Form stattfand. Wie viele andere Bereiche der privaten und beruflichen Welt treibt der digitale Wandel auch die Qualitätssicherung um. Die Auswirkungen auf Menschen und Organisation sind so groß, dass die DGQ sich über den Thementag hinaus intensiv mit dem Thema befasst. Benedikt Sommerhoff, Leiter Innovation, Transformation und Themenmanagement bei der DGQ, hat sich auch in einem Impulspapier dem Thema gewidmet.

Zunächst mal geht es darum, die Chancen durch die Digitalisierung zu erkennen. „Der technische Fortschritt bietet einen großen Zoo von Möglichkeiten für eine neue Qualitätssicherung“, sagte Professor Robert Schmitt, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am WZL der RWTH Aachen und Vorstandsmitglied der DGQ, während des Thementages. Sensoren werden billiger. Die Kommunikation wird durch Technologien wie etwa 5G schneller. Dank Künstlicher Intelligenz können bessere Algorithmen entwickelt werden. Und es stehen mehr Daten zur Verfügung. Diese Entwicklungen können die Qualitätssicherung laut Schmitt auf ein neues Level heben, „wenn wir lernen, damit entsprechend umzugehen“.

Viele Einsatzfelder für
die Automatisierung

Sommerhoff nennt in seinem Impulspapier drei Stoßrichtungen für die digitale Qualitätssicherung. Dazu zählt zum einen die Automatisierung und Autonomisierung. Der Unterschied zwischen den beiden Begriffen: Bei der Automatisierung geht es darum, vormals von Menschen erledigte Aufgaben von einer Maschine durchführen zu lassen. Bei der Autonomisierung übernimmt die Maschine auch die Steuerung der automatisierten Prozesse. Beides gehe aber nahtlos ineinander über, so Sommerhoff.

In der Qualitätssicherung kann sich eine Reihe von Aufgaben auf diese Weise erledigen lassen. Dazu gehört zum Beispiel eine automatisierte visuelle Prüfung. Weitere Einsatzfelder für die Automatisierung können unter anderem auch Prüfplanung, Fehlerdetektion und -analyse sowie Fehlerbehebung sein. Solche Aufgaben könnten dann effizienter und schneller umgesetzt werden.

Es eröffnen sich aber auch für die Auditierung neue Möglichkeiten. In seinem Vortrag auf dem Thementag demonstrierte Sommerhoff am Beispiel Audit zwei unterschiedliche Ansätze. Zum einen lassen sich digitale Techniken zur Auditierung einsetzen. Das erfolgt mittels Remote Audit.

Zum anderen gilt es, digitale Prozesse zu auditieren. Beides ist verknüpft, wenn Bots digital Prozesse auditieren. Laut Sommerhoff ist die Qualitätssicherung beim Thema Automatisierung außerdem noch in einem weiteren Punkt gefragt. Es gehe auch darum, die Qualität automatisierter und autonomer Prozesse zu sichern.

Qualitätsprognosen dank
digitalem Zwilling

Die zweite Stoßrichtung, die Sommerhoff im Impulspapier anspricht, ist die Virtualisierung. Sie biete ebenfalls großes Potenzial für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung. So wird zum Beispiel Augmented Reality bereits in einigen Projekten erfolgreich eingesetzt (siehe Quality Engineering, Ausgabe 05/20). Eine weitere mögliche virtuelle Anwendung ist laut Sommerhoff die Simulation. Dabei werden physische Dinge digital abgebildet – es entsteht ein digitaler Schatten. Mit diesem lassen sich dann Vorhersagen treffen.

Wie dies in der Praxis aussieht, zeigte Schmitt vom WZL in seinem Vortrag. Als Beispiel nannte er das Fräsen von Blisks auf 5-Achs-Maschinen im Triebwerk- und Turbinenbau. Durch die Kombination von Rohdaten aus der Maschine mit dem digitalen Schatten des zu fertigenden Bauteils sei es möglich, Qualitätsprognosen zu erstellen.

Software-Qualität gewinnt
an Bedeutung

Wie grundlegend die digitale Transformation die Qualitätssicherung verändert, zeigt sich in der dritten Stoßrichtung, die Sommerhoff im Impulspapier definiert. Es geht nämlich nicht nur darum, mithilfe von digitalen Technologien die klassische Qualitätssicherung zu verbessern. Die Qualitätssicherung muss jetzt auch auf digitale Produkte angewandt werden. Dazu zählt Sommerhoff zum einen rein digitale Produkte – also Software. Zu dieser Gruppe gehören aber seiner Meinung auch hybride Produkte, die aus Soft- und Hardware bestehen, sowie produktbegleitende digitale Prozesse – wie etwa zusätzliche Services.

Ein großer Anteil dieser Qualitätssicherung umfasst somit die Software-Qualitätssicherung. Und diese wird traditionell von Software-Entwicklern umgesetzt. Das habe dazu geführt, „dass sich bei klassischen Hardware-Entwicklern, die heute zusätzlich Software integrieren müssen, die Qualitätssicherung noch ganz überwiegend auch bei hohem Anteil von Software an hybriden Produkten überwiegend mit der Hardware befasst“, so Sommerhoff. Die Software-Qualitätssicherung liege in anderen Händen und sei nicht gut genug mit der Hardware-Qualitätssicherung verzahnt. Eine Anforderung, die der digitale Wandel mit sich bringen wird, ist daher laut Sommerhoff, dass die unterschiedlichen Entwicklungslogiken besser miteinander synchronisiert werden müssen.

Daten aus vielen Bereichen
müssen zusammengeführt werden

Nicht nur dieser Punkt macht deutlich, dass die Digitalisierung zwar viele Chancen, aber auch Herausforderungen für die Qualitätssicherung bereit hält. Die lauern zum Beispiel, wenn es darum geht, Erkenntnisse aus der großen Menge an verfügbaren Daten zu gewinnen. Dafür müssten Daten aus verschiedenen Bereichen wie etwa aus der Planung und den CNC-Prozessen in entsprechenden Modellen zusammengeführt werden, so Schmitt.

Er hat ein paar grundsätzliche Empfehlungen an Unternehmen, um das Potenzial der Digitalisierung für die eigene QS zu heben. Diese beziehen sich auf Methoden, Technologien und die Organisation. So rät Schmitt unter anderem dazu, Prozesswissen mit Fachwissen in Data Science zu kombinieren und eine standardisierte Datenarchitektur zu erstellen. Auf organisatorischer Ebene sollten sich Firmen darum kümmern, die erforderlichen Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter aufzubauen.

Überblick über Aufgaben
und Kompetenzen

Dieser Aspekt ist auch ein wichtiges Anliegen der DGQ. In vielen Fabriken sei das Potenzial der Digitalisierung noch nicht aktiviert, so Sommerhoff. Der Hauptgrund dafür liegt seiner Meinung nach in der mangelnden Verfügbarkeit der digitalen Kompetenzen. Die Technik sei bereits in den Unternehmen vorhanden oder zumindest im Markt verfügbar. Aber: „Einiges davon wissen und kennen die Verantwortlichen gar nicht“, schreibt Sommerhoff im Impulspapier. „Mit einigem von dem, was sie kennen, können sie nicht umgehen. Hinzu kommt, selbst wenn sie wissen, kennen und können, vermeiden einige den Aufwand und das temporäre Chaos der Transformation.“

Um das zu ändern, arbeitet die DGQ derzeit an einem Kompetenzmodell Digitalisierung. In diesem werden die für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung spezifischen Aufgaben im Kontext der Digitalisierung und die dazu benötigten Kompetenzen definiert. Beispiel: Zu den Aufgaben einer künftigen digitalen Qualitätssicherung zählt es, eine Qualitätsdatenverarbeitung zu konzipieren. Eine dafür nötige Kompetenz ist es unter anderem, den Aufbau und die Funktionen von ERP-, ME- und CAQ-Systemen zu kennen. Laut Sommerhoff soll das Modell einmal als Grundlage für eine Selbst- und Fremdbewertung digitaler Kompetenzen sowie eine Qualifizierungsplanung dienen.

Wer sich bisher nicht mit solchen und weiteren Themen rund um die Digitalisierung der Qualitätssicherung beschäftigt hat, sollte nicht länger damit warten und so schnell wie möglich experimentieren und Lernerfahrungen machen. Denn die schnelle Entwicklung verzeiht kein Zögern. Die Technik entwickle sich rasant, so Sommerhoff. Und: „Es wird immer schwieriger, mit der Dynamik mitzukommen.“


Webhinweis

Die digitale Qualitätssicherung komprimiert in 2,5 min: Dieses Impulsvideo der DGQ gibt einen Überblick über das Thema:

http://hier.pro/gKiwf


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